Vogelzug

Verborgenes Leben, 28. August 2024

Ich stellte mich auf den Abschied und den Neuanfang in Deutschland ein, freute mich, zukünftig in einem Pflegeheim arbeiten zu dürfen und mich einsetzen zu können. Ich fand eine kleine, helle Dachwohnung mit einem Balkon. Mit einfachsten Mitteln hatte ich mich so eingerichtet, dass auch jemand spontan zu Besuch kommen könnte.

Ich hatte einen speziellen Wandbehang mitgenommen, auf dem ein Vogelzug abgebildet war. Es war eine Handarbeit von Maja, meiner Freundin – die Einzige, die ich jemals so nannte – und die nicht wusste, was dieses Bild mir bedeutete. Es wurde für mich zum Abschiedsgeschenk. Das Bild des Vogelzuges und seine Dynamik begleiteten mich in den nächsten Jahren: Die Vögel fliegen versetzt hintereinander, die stärksten, das heißt jene mit viel Erfahrung und Kraft, führen an. Ich liebte dieses Bild und sagte mir: «Jetzt lerne ich erst einmal mitzufliegen, das Tempo aufzunehmen und keine Bremse zu sein.»

Mit einem Brief verabschiedete ich mich bei meinen Freunden, Verwandten und Weggefährten:

 

Durfte Schwester sein, im Kreis meiner vier Brüder

Durfte Partnerin sein, an der Seite eines
treuen, zuverlässigen Mannes

Durfte Mutter sein, einem „herrlichen“ Sohn,
und einer „feinen“ Tochter

Durfte Freundin sein,
den Menschen die eine Stück des Weges, mit mir gingen

Durfte in tiefen Gesprächen,
 vielen Menschen Vertraute sein

Durfte einigen Bekannten,
Begleiterin sein in schmerzvollen Stunden

Durfte Gestalterin sein, in einem herzigen, kleinen Zuhause

Durfte kreative Gärtnerin sein, im eigenen Garten

Wenn Wege sich trennen,
spürt man erst, was im Herzen gewachsen ist.

 

 

Zum Jahreswechsel 2000 

Vor 24 Jahren begann für mich, ein tiefes Suchen nach Sinn. Ich konnte nach dem Tod meiner Mutter, vielen Fragen, die das Leben an mich stellte, nicht mehr ausweichen. So lernte ich beten, fragte Gott nach der Wahrheit und nach dem Sinn des Lebens. Er gab mir Antworten, ich lernte Zusammenhänge verstehen und erlebte Seine Führung. Ich habe in dieser Erdenschule einige Klassen durchlaufen, habe aufgearbeitet und Ordnung gemacht. Im Rückblick erfüllt eine tiefe Dankbarkeit mein Herz, im Ausblick auf meine nächsten Schritte ein großes Weh…

Ich «muss» Lebwohl sagen, als Partnerin meinem liebsten Mann, als Mutter meinen Kindern, als Schwester meinen zwei Brüdern und ihren Familien und als Freundin all den Menschen, zu denen ich gehöre, die ein Teil meines Herzens sind.

Diese Zeilen tönen, als müsste ich sterben, ich weiss zwar nicht, wie man sich fühlt, wenn man stirbt, aber ich weiss, wie weh es tut, wenn man alles, was einem lieb ist, verlassen muss.

Müssen muss niemand, kann man in meinem Fall einwenden und das ist richtig. Ein Teil von mir möchte nichts als mit Arthur in unserem wunderschönen Zuhause alt werden, den Garten pflegen und mit Freunden die Freizeit teilen. Das starke Band, das zwischen uns gewachsen ist, wird halten, auch wenn wir nicht mehr unsere ganze Zeit zusammen verbringen können. Das «Muss« ist in meinem Herzen, auf meinem Weg gewachsen, denn ich habe jahrelang um eine starke Seele gebetet und sie ist stark geworden, sie zeigt mir eine neue Aufgabe und diese will ich annehmen. Würde ich mich entschliessen in ein Kloster zu gehen, oder wie der Bruder Klaus in die Einsamkeit, um Gott näher zu kommen, könnten wir wohl mit einem gewissen Verständnis, vielleicht sogar mit Wohlwollen rechnen, aber was auch immer gedacht wird und wie dem auch sei:

Ich werde am Montag, den 31. Januar 2000 unser Land verlassen, werde in Deutschland mit Menschen zusammenleben, die wie ich glauben, dass alle Menschen, Brüder und Schwestern sind und die die Bergpredigt des Jesus von Nazareth in allen Bereichen umsetzen wollen. Mein Leben habe ich Gott geschenkt und mein Partner Arthur, hat mir mit seinem großen Verständnis und seiner Liebe geholfen, dass ich diesen meinen Weg weiter gehen kann, auch wenn er mich von ihm weg führt.

Euch allen bleibt mir zu danken für alles, was uns verbindet, diese innere Verbundenheit wird durch nichts zerstört werden und kann auch nicht aufhören.

Ich umarme Euch und drücke manche Hand mit diesen Zeilen, aber ich konnte mich nicht im Äußeren von Euch verabschieden, es wäre zu schmerzhaft geworden.

 

So bitte ich um den Segen für meine Familie, meine Verwandten, meine Freunde und alle, die sich mit mir verbunden fühlen. Ich verabschiede mich mit einem herzlichen

 

Shalom und «Bhüeti Gott» ­– Euch allen!

 

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»