Waldfest

Verborgenes Leben, 24. April 2024

Eine krebskranke Frau, die ich in ihrem Sterbeprozess betreuen durfte, hinterließ ihren Mann, einen elfjährigen und einen sechzehnjährigen Sohn und eine 23- jährigen Tochter. Nur drei Monate später musste dieser Mann, der Vater der Kinder, mit der gleichen Diagnose zurechtkommen.

In seiner Sterbebegleitung versuchte ich ihm Nähe zu geben. Er war es nicht gewohnt über seine Gefühle zu sprechen. Ich versuchte ihm seine Freuden, seine erfüllten Momente bewusst zu machen. Einmal erzählte er mir vom Waldfest, von Wurst und Brot, das er so geliebt habe! Doch das ist jetzt vorbei, kein Waldfest mehr, keine Wurst und kein Brot, alles vorbei.

Ich legte meine Hand auf seinen Arm, wortlos. Der stattliche Mann wurde jeden Tag dünner und er wusste, er würde nicht mehr lange leben. Er aß nichts mehr und trotzdem brachte ich ihm Wurst und Brot. Er steckte seine Nase in die Tüte, schloss die Augen und ich wusste, jetzt geht er noch einmal ans Waldfest in seiner Erinnerung. Als er die Augen wieder öffnete, schaute er mich mit strahlenden Augen an und sagte: «Danke, danke, danke!»

Fünf Monate nach dem Tod der Mutter verloren die drei Geschwister auch ihren Vater und wurden zu Waisen. Nun sollte die große Schwester Silvia mit nur 23 Jahren eine Art Vormundschaft für ihre beiden minderjährigen Brüder übernehmen. Ich fühlte mich mit ihr verbunden, wusste aus eigener Erfahrung, wie sehr nun die jungen Geschwister durch den Verlust ihrer Eltern gefordert waren. Sie alle mussten früh in ein stärkeres Verantwortungsgefühl und schnell in eine Selbständigkeit hineinwachsen. Ich wollte sie in der Krise stärken, sie nicht in die Falle des Selbstmitleids geraten lassen, sondern ihnen in dieser schwierigen Herausforderung Mut machen und Halt geben. Der großen Schwester wurde die Vormundschaft für ihre beiden Brüder übertragen und wir sicherten ihr unsere Hilfe zu.

Ein Jahr später starb ihre Großmutter und hinterließ den drei Geschwistern ihr Haus. Dieses Haus musste umgeplant und umgebaut werden. Arthur und ich halfen, standen mit Rat und Tat zur Seite und legten Hand an, wo immer es nötig war.

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»