Marias Sohn Patrick war ein besonnenes und ruhiges Kind. Er spielte gerne mit den Kindern aus den Häuserblocks, in denen seine Eltern als Hauswart tätig waren. Sie waren eine Clique von über 20 Kindern, in der vieles ausprobiert und in Rollenspielen geübt wurde. Maria förderte diese gemeinsamen Aktivitäten, organisierte Ausflüge in den Wald mit Schnitzeljagd, Schatzsuche und Bratwurst am Feuer. Sie schaffte für die Kinder immer wieder solche Höhepunkte.
Mit einfachem Budget kleidete Maria ihren Buben mit besonderer Qualität ein. Dazu fuhr sie zwei Mal im Jahr mit ihm zum Ausverkauf in die Stadt, nach Zürich. Dieser Tag gehörte Patrick ganz allein. Es gehörte ein besonderer Restaurantbesuch dazu, in dem ausgesucht werden durfte, was das Herz begehrte – Burger und Pommes frites. Ganz nebenbei wurde noch das Billett-Lösen geübt, am Schalter und am Automaten und das Bahnfahren mit Umsteigen.
Als Mutter hatte Maria großes Verständnis, gab großzügigen Freiraum, doch Abmachungen und Regeln mussten eingehalten werden: Als ihr Sohn am Abend mit den Nachbarskindern noch weiterspielen wollte, obwohl es eine abgemachte Zeit fürs Heimkommen gab und er trotz mehrmaligen Rufens nicht nach Hause kam, sogar trotzig erwiderte: «Ich will lieber bei meinem Freund übernachten, der darf viel länger draußen bleiben!», legte ihm Maria sein Pyjama und seine Zahnbürste vor die Wohnungstür. Als der kleine Junge das sah, wusste er sofort, was das zu bedeuten hatte. Er nahm sein ‹Bündeli› und trottete mit hängendem Kopf und schlechtem Gewissen ins Nachbarhaus zu seinem Freund und fragte die Nachbarin, ob er bei ihnen schlafen könnte. Die Nachbarin war von Maria unterrichtet worden und nahm ihn auf und hörte ihm zu. Sein Trotz war verflogen und Reue kehrte ein. Schon bald klingelte das Telefon bei Maria: «Es tut mir leid Mami, darf ich wieder nach Hause kommen?» Natürlich durfte er, keiner hat mehr darüber gesprochen.
Patrick lernte auch von den anderen Kindern und er lernte von ihnen manches, was bei ihm zuhause nicht ging. So nannte er Maria einmal eine dumme Kuh, worauf diese nicht mehr mit ihm sprach, dem Fünfjährigen keine Antwort mehr gab. Er wurde ebenso still und nachdenklich und verzog sich in sein Zimmer. Als er nach geraumer Zeit wieder auftauchte und vorsichtig eine beiläufige Frage stellte, sagte Maria nur: «Ein für alle Mal: Ich bin deine Mutter, ich bin keine dumme Kuh. Eine Kuh kann nicht mit dir sprechen und sie kocht nicht für dich. Ich bin deine Mutter und ich bin es gern, doch ich spreche nicht so mit dir und du sprichst bitte nicht so mit mir.»