Erneut stand Ich auf dem Hügel und blickte auf die Stadt Jerusalem.
Es war Mir, als hörte Ich die Menge in den Straßen: «Kreuziget ihn! Kreuziget ihn!» Noch wenige Tage zuvor hatten sie Mich mit Palmwedeln empfangen. Nun wurde Ich durch die engen Gassen gejagt, mit einem Balken auf Meinen Schultern. Ich war zusammengesunken unter der Last, als ein Jüngling auf Mich zukam. «Legionen von Engeln werden Dir helfen», schoss Mir die Erinnerung an die Worte Meines Vaters durch den Kopf. Der Jüngling half Mir auf und Ich ging weiter, wie in Trance ging Ich weiter. An das letzte Stück Weg erinnere Ich Mich nicht mehr. Mein Kopf dröhnte und Ich hörte nicht mehr das Geschrei der Menschenmenge, Ich hörte Engelschöre in Mir, die alles übertönten. Nägel wurden Mir durch Hände und Füße getrieben, Ich trete weg und komme erst wieder zu Mir, als Ich hoch über der Menschenmenge hänge. «Der Sohn Gottes? König der Könige?», höre Ich den Soldaten sagen, «Ja, da hast du recht, dann braucht es eine Krone!» Er reißt einem kleinen Mädchen etwas aus der Hand. «Eine Krone, eine Krone für den König!», schreit er und befiehlt anderen Soldaten, Mir diese aufzusetzen. Wieder trete Ich weg und komme zu Mir, als über Mir ein Soldat ein Schild anbringt und spottet: «Der Sohn Gottes! Das seht ihr von welchem Gott!» Mehrere Soldaten und einige Schaulustige beginnen, in einem Sprechchor sich lustig zu machen und rufen: «Der Sohn Gottes! Der Sohn Gottes! Wo ist Dein Gott? Wo ist Dein Gott?» Etwas in Mir bricht zusammen, Ich spüre förmlich, wie eine Kraft Mich verlässt. «Hohle Mich, hohle Mich, oh Vater! Beende dieses Schauspiel, hol Mich zu Dir!», rufe Ich in Mein Inneres hinein. Es passiert nichts. Die Schmerzen werden mehr und mehr. «Warum hilft er Dir nicht, wenn Du doch Sein Sohn bist? Lässt Er Dich absichtlich leiden?» Alles an Meinem Körper brennt vor Schmerz. Ich fühle nichts mehr, außer Schmerz. Nichts scheint diesen Zustand zu ändern. «Wozu hängst Du hier? Meinst Du wirklich, dass würde irgendetwas ändern? Was soll es ändern?», höre Ich die Stimme in Meinem Kopf. «Sieh sie Dir an! Die Menschen! Was hat es für sie geändert? Du solltest ihnen Deinen Gott näherbringen und willst es ihnen beweisen, indem Du am Kreuz stirbst? Was für ein Sieg soll das sein? Was soll es für die Menschen ändern?» Ich blicke auf die Menschenmenge. Die einen haben sich schon wieder ihren Geschäften zugewandt, weil nichts Spannendes mehr passierte. Einige wenige schrien immer noch «Gottes Sohn, Gottes Sohn!» Ich blickte in ihre Augen, doch alle sind sie mit sich selbst beschäftigt. Und Ich höre in Meinen Gedanken: «Nichts wird sich ändern durch Meinen Tod. Nichts. Gar nichts! Im Gegenteil noch! Es wird bewiesen sein, dass Ich nicht der bin, für den Ich Mich ausgab, sonst wäre Ich nicht einfach am Kreuz gestorben.» Eine Schwere überkommt Mich. «Es wird für sie gewesen sein, wie ein Traum, den sie schnell wieder vergessen haben. Sogar Petrus, Dein Treuester, wird Dich dreimal verleugnen. Hast Du es ihm nicht selbst gesagt?» höre Ich es in Mir sagen. Keiner Meiner Jünger ist hier. Keiner ist hier. Sie haben Mich schon jetzt verlassen. Wie schnell werden sie vergessen haben?
Derjenige, der rechts von Mir hängt, schreit laut auf vor Schmerz, er wimmert. Auch Ich falle in Meinen Schmerz. «Gestorben wie ein Schwerverbrecher und genauso schnell vergessen!», schießt es durch Meinen Kopf, und dann: «Wofür? Wofür?» Mein Mund brennt, Ich kann nicht mehr: «Mich dürstet!», rufe Ich, so, laut Ich noch kann, dem Soldaten zu, der unter Meinem Kreuz steht. Er geht zu seinem Oberbefehlshaber. «Ihn dürstet? Er will Wasser?», fragt der Befehlshaber. «Soll Er haben!», ruft ein anderer, der neben ihm steht, lacht und boxt ihn in die Seite. Nach einigen Minuten wird Mir ein Tuch an den Mund gedrückt «Hier, nimm! Wasser für den König der Juden!» Der Soldat drückt das getränkte Tuch mit aller Kraft gegen Meinen Mund. Es zieht sich alles zusammen, als Ich Essig schmecke. Noch schlimmer wird das Gefühl der Trockenheit in Meinem Mund. Legionen von Engeln werden Dir helfen? Lächerlich! Ich sacke in Mich zusammen, die Bitternis in Meinem Mund, der Schmerz, die Demütigung, keiner der Jünger ist da. Wofür? Wofür? Es wird nichts ändern! Nichts! Gar nichts! Vielleicht ist etwas schiefgelaufen, vielleicht waren sie wirklich noch nicht weit genug. Ich sterbe für nichts. Alles ist umsonst. Wieder höre Ich die Schreie derjenigen, die links und rechts von Mir hängen. «Lächerlich, dass Du geglaubt hast, Deine Kreuzigung würde irgendetwas ändern! Was denn?» Ich blicke auf die Menschenmenge runter. Einige haben begonnen zu spielen, Händler bieten ihre Waren an, das Leben geht weiter. Mein Leid ist umsonst. Nichts wird sich ändern! «Lächerlich! Eine lächerliche Gestalt am Kreuz, die an einen ebenso lächerlichen Gott glaubt!» Ich versuche Meinen immer wirrer werdenden Gedanken etwas zu entgegnen, doch Ich bin leer. Ich habe keine Kraft mehr. Die Stimme hatte recht. Ich bin allein. Ganz allein. Allein gelassen. Sie haben Mich verlassen. Alle. Keiner folgte Mir nach, nicht einmal bis zum Kreuz. Niemand bleibt. Von all den Menschen, die Mir beim Predigen zuhörten: Niemand bleibt! Nichts bleibt! Außer: «Vater, Vater, hast Du Mich verlassen?», rufe Ich mit aller letzter Kraft um Antwort flehend, um zu sehen, ob wenigstens das in Mir bleibt, was Mich bisher immer führte. „Erinnere Dich, erinnere Dich …», höre Ich zart und leise in Mir, «Erinnere Dich! Du bist …. … das Lamm.» Es dämmerte in Mir und wurde allmählich lichter: »Ich bin das Lamm, das unschuldig geopfert wird!» Ich verstand, Ich verstand! Ich erinnerte Mich an weitere Worte Meines Vaters: »Bleibe Du bei Mir. Erhebe Deinen Geist zu Mir!» «In Deine Hände befehle Ich Meinen Geist!», sagte Ich so laut Ich konnte zum Himmel und bezeugte damit, dass Ich den Willen Meines Vaters ganz annahm, auch wenn dies Mein irdisches Leben beenden würde. Ein Kraftquell schien sich durch Mein Herz zu stoßen und ergoss sich in Meinen Gefühlen zu dem Gefühl der Verbundenheit und Liebe zu allen und allem, so wie Ich es von Meinem Vater kannte. Es war das Gefühl, mit dem Ich immer geschult und gepredigt hatte! Es war weggepeitscht worden, zermürbt in den Demütigungen und dem Spott, klein gemacht von der Angst der letzten Tage. Ein Gefühl der Wärme breitete sich in Meinem Brustkorb aus. Ich blickte auf die Menge, die unter Mir stand. Der Anblick hatte sich nicht verändert, doch in Mir hatte sich etwas verändert: «Vater, Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!» Erhob Ich Mich so gut es ging und Meine Stimme in Richtung Himmel. «Was hat Er gesagt?» «Hast du es verstanden?» Unter Meinen Füssen ging ein Getuschel los. «Er hat etwas gesagt!» «Was denn, was hat er gesagt?» Eine Frau löste sich mit zwei weiteren aus der Masse und trat in die vorderste Reihe. «Er sagte: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!» Es war Mirjam. Maria, Meine Mutter stand direkt hinter ihr, dahinter Salome und Johannes. Johannes! Er musste weiter machen, er musste von der Liebe unseres Vaters erzählen, er würde Zeuge sein, er würde alles aufschreiben können. Tränen der Freude liefen über Meine Wangen. Ich verstand, Ich verstand! «Mutter, siehe Dein Sohn. Sohn, siehe Deine Mutter!» sagte Ich und verband die beiden in ihrem weiteren Auftrag. Beide würden sie einander helfen und sich stützen können. Sie würde ihn an sich nehmen, um ihn weiterhin zu unterstützen und zu stützen, so wie sie es mit Mir getan hatte. Er würde für sie sorgen können. Ich blickte auf Mirjam. Ihre Augen waren erfüllt vom Schmerz, Mich zu sehen. Sie nickte Mir leicht zu, so wie sie es immer getan hatte. Wir verstanden uns, ohne Worte. Sie würde tragen, was auf sie zukommen würde, sie würde es verkraften. Ich hatte sie alles gelehrt. Ein Mann löste sich aus den Reihen, er hatte ein Tuch in der Hand. Er war kräftig und behände, entschlossen kletterte er an Meinem Kreuz hoch und legte ein Tuch um Meine Scham. „Jesus, Jesus, Ich glaube an Dich, Jesus!» Diese Worte kamen nicht von demjenigen, der wieder herunterklettere, sie kamen vom demjenigen, der am Kreuz links von Mir hing. Sein Blick war voller Hoffnung. «Noch heute wirst Du mit Mir im Paradies sein!»
Der oberbefehlshabende Soldat, der die letzten Szenen beobachtet hatte, kam auf seinem Pferd sitzend, nahe an Mich heran und fragte «Wer bist du?» Ich blickte ihm in die Augen. Es brauchte keine Worte mehr, für das, was Ich zu sagen hatte. Schon viele Kreuzigungen hatte er hinter sich. Er kannte die Schlechtigkeit der Menschen und der Verbrechen, deren Urteil er vollstreckte. Er erkannte, dass hier etwas ganz anders war, als er es gewohnt war. Der Oberbefehlshaber schaute Mich lange und gebannt an. Er entschied sich zu einem ungewöhnlichen Schritt. Er wies einen Soldaten an, ihm eine Lanze zu geben. Entschlossen rammte er sie Mir in Meine Rippen. Ein Akt, der Mein Leiden und Sterben wesentlich verkürzen würde. Er blickte Mir dabei tief in die Augen, als wolle er Mir sagen: «Ich muss tun was Ich tun muss. Ich erlöse dich von deinem Leid so gut ich kann!» «Legionen von Engeln werden Dir beiseite stehen.» hörte Ich in Meinem Inneren. Ich blickte in seine Augen: «Ich werde dich von deinem Leid erlösen, und alle anderen von ihrem.», sagte Ich zu ihm in Meinem Inneren. Über die Lanze in seiner Hand, die in Meiner Seite steckte, übertrug sich in Sekunden ein Wissen, er wurde zum Eingeweihten. Ich wusste, mit dieser Entscheidung, mit diesem Lanzenstoß, würde seine Aufgabe erst beginnen. Er würde Mirjam auf ihrem Weg begleiten. Ich blickte zu Mirjam und dann zurück zu ihm. Beide hatten verstanden. Ich blickte über die Menschenmenge, in die Weite des Horizonts. In Mir war es ruhig. «Wenn du in der Liebe bleibst, wird alles gut!» Ich war nicht mehr Teil dieser Welt, in der Mein Körper am Kreuz hing. Ich war nicht mehr Teil der Welt des Zweifels und der Angst. Ich war beseelt, kraftvoll, voller Leben, und in Mir war die Gewissheit: Es wird weitergehen, auch wenn nun der Mensch Jesus am Kreuz sterben würde. Ich nahm dies ganz in Mir an und sagte: „Es ist vollbracht!», und beendete damit Meinen Erdengang als Mensch der Zweiten Zeit.
Noch blickte Ich zurück auf die Stadt Jerusalem, an jenem und am heutigen Samstagmorgen. Jesus war gestorben. Er hatte Sein Leben gelassen, damit Christus auferstehen konnte, ganz in den Willen Seines Vaters treten konnte.
Meine Christuskraft habe Ich in allen hinterlegt, als ein Teil Meines Erbes. Jedem, der sie annehmen will, wird sie helfen, seine Zweifel und Ängste zu überwinden, die Talfahrt und die Welt der Illusionen zu verlassen, um hin- und einzutreten in sein Erbe, in die Wirklichkeit des Seins, aus der alle kommen und in die alle zurückgehen werden! Diese Erlösung ist bis heute unerkannt! Viele Menschen machen es sich viel zu schwer, meinen ewig Schuldige zu sein und nichts recht machen zu können! Zu ihnen sage Ich: Hört auf damit, tretet aus und nehmt Meine Erlösung an! Bereut das, was ihr erkennt, Ich betone: Das, was ihr in euch erkennt! Legt es in die große Feuerschale der Erlösung, die in dieser Osterzeit für euch bereitgestellt ist. Gebt es ins Feuer der Erlösung und holt es nicht mehr zurück! Lasst euch nicht zu Schuldigen machen, hört auf damit und werdet Erlöste!
Viele Menschen nehmen es zu leicht, sie denken: «Ich bin gut.», und meinen, Mich und Meine Erlösung nicht zu brauchen, weil sie selbst Gott oder gottähnlich sind. Zu ihnen sage Ich: «Lass ab vom Gift der Natter dieser Zeit! Lerne zu unterscheiden! Sage nicht, du bist mehr oder besser, wie deine Schwestern und Brüder! Lasse dich nicht von deinem Hochmut treiben, in dem du dich nicht in die Reihen deiner Geschwister einreihen willst! Schaue ehrlichen Herzens in deine Entsprechung, bereue und bereinige, nehme Mich an und du bist erlöst! Dann brauchst du dich nicht weiter klein zu fühlen und dich dabei als der, mit der größten und schwersten Aufgabe zu dünken! Dann bist du ganz in der Kraft unseres Vaters Ur.
Mein Geschenk an euch, ist, dass ihr nicht alle eure Wirkungen abtragen müsst, nicht jede Schuld begleichen müsst, so wie es bei euren Vätern und Vorvätern der Ersten Zeit noch war: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich, Christus, habe diesen Kreislauf durchbrochen, auf dass ihr euch nicht mehr weiter versündigen könnt! Ich bin der Erlöser! Jeder, der ehrlichen Herzens bereut, was es auch sein möge, sei seine Schuld auch noch so groß, dem ist vergeben. Das ist Mein Geschenk, das Ich euch hinterlassen habe! Nehmt es an, oh nehmt es an! Denn es ist, wie es geschrieben steht: Keiner kommt zum Vater, denn durch Mich, durch Meine Erlösung.