Geben Sie es weiter

Verborgenes Leben, 18. Februar 2024
 

«Ich versuche nun zu schlafen», sagte die junge Frau, die ihre Schwiegermutter nun schon eine längere Zeit betreute und die am Ende ihrer Kräfte war. «Wecken Sie mich, wenn die Schmerzen wieder stärker werden, damit ich ihr die nächste Spritze geben kann.» «Das mache ich, schlafen Sie gut», antwortete Maria und begann in ihrem Inneren mit sich zu hadern. «Nicht mal eine Spritze kann ich geben», so begann die Unzufriedenheit in ihr zu sprechen. «Was hat denn deine Hilfe für einen Sinn? Sie hat gar keinen Sinn, ja, sie hilft nicht und sie ändert auch nichts!» Maria wurde angesichts dieser Tatsache und dieser Gedanken immer trauriger und fragte sich: «Was braucht die Familie, was braucht diese junge Frau, die ihre Schwiegermutter zuhause pflegt, um ihr den Wunsch, zuhause sterben zu können, zu erfüllen?» «Sie braucht Schlaf, sie braucht erholsamen Schlaf», so perlte es in ihr hoch. Maria fing an zu beten: «Vater im Himmel, du großer, allmächtiger Gott, kannst du nicht helfen? Steht nicht alles in deiner Macht? Ist es unverschämt, dich zu bitten der jungen Frau zu helfen, dass sie sich wenigstens ein wenig ausruhen und erholen kann?» 

Ich saß da, hörte den schweren Atem der sterbenden Schwiegermutter und meine Augen füllten sich mit Tränen. Ohnmächtig, hilflos und unnütz kam ich mir vor. Was konnte ich schon tun? Wieder betete ich: «Vater, du Schöpfer allen Lebens, hilf dieser Familie, ich habe alles getan. » Mein Herz pochte und ich hörte das Ticken der Uhr, die an der Wand hing. Bald würden die Schmerzen zurückkehren. Ich betete ein drittes Mal: «Vater bitte, bitte hilf!» – «Ich kann nichts tun, ich kann nicht mal eine Spritze geben, die dem Körper etwas Linderung verschafft!», so ging die innere Zermürbung in mir weiter. Wieder wurde mir in meinem Inneren aufgetischt, dass meine Hilfe gar keine sei und ich betete erneut. Ich konnte nicht helfen, doch ich wollte helfen, dieser Familie, die ich nur vom Sehen her kannte und die dankbar mein Hilfeangebot annahm, in der Nacht am Bett ihrer Mutter zu wachen. Das schwere Atmen und das Ticken der Uhr erinnerten mich daran, dass ich am Sterbebett einer Großmutter saß. Ich nahm innerlich ihr Bild in mir auf, ich sah ein fröhliches Mädchen, eine junge Frau und eine Mutter von mehreren Kindern, ich sah eine Menschenseele auf ihrem Weg der Sinnsuche und ich verband mich mit ihr in meinem Inneren, gab ihr mein ganzes Mitgefühl, zu dem ich fähig war und sagte leise in ihr Ohr: «Du bist geliebt, du bist geliebt, unendlich geliebt von Gott, der unser aller Vater ist.» Ich hörte einen tiefen Atemzug und wusste nicht, ob sie meine Worte gehört hatte. Die Atemzüge wurden leichter, oder vielleicht bildete ich mir dies nur ein, jedenfalls schlief die Sterbende, ohne aufzuwachen, bis die Schwiegertochter ins Zimmer stürzte, weil sie dachte, ich sei eingeschlafen und die Schwiegermutter sei gestorben. Sie konnte nicht glauben, dass die schlimmen Schmerzen ausgeblieben waren.

Wenig später war ich auf dem Nachhauseweg, es hatte geschneit, und auf dem frisch verschneiten Feldweg, schwebte ich mehr als ich ging. Ich wusste, Gott, der Vater, hatte Seine Herrlichkeit gezeigt. Ich war mir ganz sicher, es war eine Gebetserhörung. Ich war so dankbar und überglücklich dieses erlebt zu haben. Ich durfte noch drei weitere Nächte an dem Bett der Frau Wache halten und das Schönste für mich war: Die Schmerzen kamen nicht zurück, sie blieb schmerzfrei, bis sie ihren Körper ablegen konnte. Als ich Abschied von der Verstorbenen nahm und mich auch von der Familie verabschiedete, wollten sie mich für meinen Einsatz bezahlen, doch ich sagte, wie ich es damals immer tat: «Geben Sie es weiter, wenn Sie es können und wollen, geben Sie es weiter, helfen Sie, wenn jemand Ihre Hilfe braucht!» Sie sahen mich ungläubig an, nahmen dann dankbar und etwas verdutzt meinen Dienst an.

 

Nur wenigen erzählte Maria davon, sie bewahrte es in ihrem Herzen.

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»