Ich fuhr von Deutschland in die Schweiz, um einen Meditationskurs in Zürich zu begleiten, der neu begann. Anschließend wollte ich noch einige Tage in der Schweiz bleiben.
Auf der Fahrt in die Schweiz, einen kurzen Moment unaufmerksam, touchierte ich die Leitplanke, verlor die Kontrolle und hatte einen schweren Unfall. Das Auto hatten mir Arthur und Berta ausgesucht, damit ich nicht mit meinem vorherigen Auto, einem Kleinwagen, so lange Strecken fahren musste. Die Tatsache, dass es sich um ein etwas größeres Auto handelte, hatte wohl Schlimmeres verhindert: Der Junge, der mit mir im Auto saß und den ich zu seiner Familie in die Schweiz mitnehmen sollte, als auch ich, blieben, wie durch ein Wunder, unverletzt. Das Auto hatte einen Totalschaden.
Ich war erschüttert über dieses Zeichen und wollte besser verstehen, was es mir zu sagen hatte, denn solche Ereignisse nahm ich sehr ernst. Es war ein Spiegel für meine Situation: Ich achtete nicht auf die Leitplanken meines Körpers, nahm meine körperlichen Bedürfnisse zu wenig ernst, verkniff eigene Bedürfnisse aus Rücksicht auf andere, verkniff mir auf der Fahrt, aus Rücksicht gegenüber dem dösenden Jungen, nach einem Kaubonbon zu greifen, welche im Handschuhfach verstaut waren. Ich unterließ, wie ich es sonst immer tat, Musik einzulegen und laut mitzusingen, um mich wach zu halten.
Ich reagierte im Anschluss an den Unfall ungewohnt verschlossen. Ich vertraute mich in Teilen meiner Familie an, Berta, Marianne – doch ich brauchte erst mal Ruhe und Raum um mich. Ich wollte keinen, der mir weismachen wollte, was nicht der Wahrheit entsprach. So blieb ich bei mir, meldete nichts von meinem Unfall an meinen Arbeitgeber nach Deutschland. Ich wollte es nicht und ich konnte es nicht. Ich hörte schon die Argumente meiner Vorgesetzten, ich hörte ihre Kommentare, ohne dass ich mit ihnen gesprochen hatte. Es würde wieder nur um meinen Mann, um meine Beziehung zu meiner Familie gehen. Ich konnte und wollte das einfach nicht mehr hören, weil es so, wie sie es sahen, einfach nicht stimmte. Ich konnte diese Sichtweise nicht annehmen und ging ganz bewusst auf Distanz.
Mein Becken hatte sich irgendwie verdreht beim Herumwirbeln des Autos und ich fragte mich, was mir das zeigen wollte. Was wirbelte mich in eine andere Richtung und warum? Warum war ich nicht wach genug, um zu erfassen, was geschah? Was wirbelte mich einmal um mich selbst? Dieses waren meine Fragen und Analysen, in denen ich mein Fehlverhalten aufarbeiten konnte und auch den Umstand miteinbezog, dass ich völlig übermüdet gewesen war. Übermüdung war eine Gefahr, die eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahrzunehmen war eine große Gefahr! Die Worte des Polizisten, der den Kofferraum meines Autos aufmachte und die Schriften und Zeitungen sah, die durcheinander gewirbelt lagen und ohne Frage die Handschrift jener Gemeinschaft aufwies, die in der Öffentlichkeit als gefährliche Sekte galt, trafen mich. Er sagte: «Schon wieder eine! Es ist doch immer das Gleiche.» Er schüttelte den Kopf, pfefferte den Kofferraumdeckel so energisch zu, dass ich erschrocken zusammenzuckte. Er schaute seinen Kollegen an, der senkte seinen Blick. Eine Scham, ein Gefühl schuldig zu sein, kam in mir hoch. Ich wusste nicht, was sie meinten, wusste damals nicht, dass auf diesem Autobahnabschnitt auffällig viele Unfälle geschahen, in denen übermüdete Glaubensgeschwister am Steuer saßen.
Ich merkte schnell, dass mein Unfall längst die Runde gemacht hatte und verhandelt wurde, im Verantwortlichen-Kreis zum Thema gemacht wurde. Ich wusste auch, mein Schweigen würde mir vorgehalten werden, es würde ein schlechtes Licht auf mich werfen.
Doch mein Gefühl im Inneren riet mir Distanz zu wahren und dieses Innere nahm ich ernst. Ich war mir bewusst, dass meine Rückkehr nach Deutschland und in den Betrieb nicht einfach sein würde. So war es dann auch. Obwohl ich wusste, dass es nicht so war, wie sie es mir andichteten und wie sie es sehen konnten und sehen wollten, blieb in den vielen auf meinen Unfall folgenden Gesprächen, in denen ich nicht genügte, in denen ich mich nicht erklären konnte, etwas hängen. Es legte sich eine Art Schicht auf mein Empfinden und blieb. Durch die regelmäßigen langen Arbeitstage fand ich wenig in mein Inneres, verlor den Kontakt zu Jesus. Wer konnte dieser Anforderung des Inneren und des Äußeren genügen? Doch eine Erkenntnis blieb mir nach diesem Erlebnis: So wie sie es sahen, wie sie es interpretierten, so war es für mich nicht!
Ich erzählte in dieser Zeit niemandem, wie es mir ging. Wenn mich Bekannte und Freunde aus der Schweiz fragten, ob ich in Deutschland glücklich sei, entgegnete ich: «Ich habe die Schweiz nicht verlassen, um glücklich zu sein.»