An meinem 50. Geburtstag, dem zweiten nach meiner Auswanderung, freute ich mich und gleichzeitig litt ich im besonderen Maße. Es war ein Sonntag und ein voller Arbeitstag lag vor mir. Früh am Morgen machte die WG-Schwester mit den Kindern für mich Frühstück und das tat mir gut. Ich wusste es zu schätzen, denn sie hatte frei und hätte nicht so früh aus dem Bett gemusst. Einige Minuten vor 6.00 Uhr klingelte das Telefon, es war Arthur. Er gratulierte mir zum Geburtstag. Während er mir alles Gute wünschte, sah ich aus dem Fenster und sah auf dem Fluss vor mir einen Schwan, der in mein Blickfeld schwamm. Wie ein Himmelsgruß kam es mir vor. Dann kamen ein zweiter Schwan und ein dritter dazu! Ein Bild, welches mich zutiefst berührte, das ich wie einen Zauber empfand, denn noch nie hatte ich in diesem Teil des Flusses Schwäne gesehen. «Komm und schau mal», sagte ich zu meiner WG-Schwester. Auch sie hatte hier noch nie Schwäne gesehen. Sie blieben dort, schwammen nicht weg und machten mir eine große Freude. Ich spürte die Verbindung in eine andere Dimension, von der ich mich tief getröstet und begleitet fühlte.
Der Tag wurde nicht einfach, ich hatte große Sehnsucht nach meiner Familie, mit der ich mich an meinen Geburtstagen oft zum Essen getroffen hatte. Ich war unendlich traurig, fühlte mich allein, ja, einsam. Arthur und ich hatten so einen Spruch, in den ich alle Wünsche und Sehnsüchte einpackte: Wenn ich mal 50 bin, werden wir dies oder jenes machen, zum Beispiel würde ich dann eine Steinabdeckung für die Küche bekommen, und, und, und. Wir hatten es scherzhaft ausgesprochen, doch ich spürte eine Energie, eine unbewusst aufgebaute Erwartung und diese stellte sich nun auf und verspottete mich: «Das hast du nun davon! Hat sich dein Schritt gelohnt? Wem hat er geholfen? Wem hat er genützt? Hast du etwas für Jesus getan? Gar nichts hast du getan? Nichts kannst du tun und nichts wird sich erfüllen, gar nichts! Du hast all deine Wünsche geopfert, wem hat es was gebracht, wem?» Unbarmherzig tischte die Stimme in mir auf, als hätte sie nur darauf gewartet. Es war schwer zu ertragen. Es war, als würde alles aufgefahren, um mich ins Selbstmitleid zu ziehen. Ich saß vor dem Gartenhaus, die Tränen liefen über mein Gesicht und ich konnte mich nicht dagegen wehren.
Als ich am Abend in mein Zimmer trat, lagen drei Fax-Schreiben im Gerät: Eines war von Arthur, meinem Mann, in dem ich die Sehnsucht und Liebe zwischen den guten Wünschen las. Das zweite war von Nicole, die meine Gefühle der Trennung aufnahm und mir Nähe gab und mir zur Ermutigung wurde. Das dritte war von Patrick, meinem Sohn, der mir in einer neuen Art begegnete, der mir mit seinen Worten Kraft gab, mir wünschte, dem eigenen Weg, dem Inneren treu zu bleiben, um dem Äußeren standhalten zu können.
Im Weinen entlud sich der angestaute Schmerz und ich erlebte, was ich mir so sehr gewünscht hatte: Fern und doch ganz nah zu sein! Ich richtete meinen Dank zum Himmel. Im Dank sah ich die drei Schwäne vom Morgen, wie diese in mein Bild schwammen und ich verband dieses Bild in der Symbolsprache, in der meine Familie mich grüßte und mir zeigte, wie stark verbunden wir einander waren und wie verbunden wir auch in der Trennung blieben.