Familientisch

Verborgenes Leben, 2. März 2024
 

In der Verarbeitung des Todes meiner Mutter begann ich meine eigene Endlichkeit anzunehmen, mein Sterben und meinen Tod näher an mich heranzulassen, ja, mich mit ihm auseinanderzusetzen. Was, wenn auch ich nicht lange leben würde? Was wäre mir dann wichtig? Wären meine Kinder darauf vorbereitet? Wie könnte ich ihnen helfen, was könnte ich tun? Ich wollte sie darauf vorbereiten, sie weiterhin in ihre Selbständigkeit und Selbstverantwortung führen und ich wollte auch Worte finden für das Leben nach dem Tod.

In unserer Wohnung gab es einen Esstisch mit Eckbank, der mir viel bedeutete, da er aus meinem Elternhaus stammte. Der Familientisch war das, was mir geblieben war und erinnerte mich an unbeschwerte Stunden im Familienverbund.

Ich führte eine neue Tischkultur ein. Jedes Familienmitglied erhielt einen hölzernen Serviettenring, auf dem der Name eingraviert war. Vor jedem Essen wurde nun gebetet, ein gemeinsames Tischgebet gesprochen, mit dem ich meinen Kindern etwas auf den Weg geben wollte, in ihnen eine positive Prägung setzen wollte, in die sie jederzeit zurückfinden konnten.

 

«Vo Dinere Gnad Herr, läbed mir und was mir händ, das chund vo Dir, Du bisch Dä, wo alles Gueti schafft, Du gisch eus Spys und Läbeschraft! »

«Von Deiner Gnade Herr, leben wir und was wir haben, kommt von Dir. Du bist der, der alles Gute schafft, Du gibst uns Speis und Lebenskraft.»

 

Jeder Gast, der an unseren Tisch kam, wurde ganz selbstverständlich ein Teil dieses gemeinsamen Gebetes. Den Familientisch, der immer ein Ort des Austausches gewesen war, begann ich nun mit anderen zu teilen. Dort herrschte etwas Familiäres, Wohlwollendes, Besonderes. Egal, was einen gerade beschäftigte oder bedrückte, man fühlte sich dort angenommen.  

Das ging so weit, dass eine fremde Frau mich bei der Gartenarbeit ansprach und fragte, ob ich Frau Meier sei. Als ich dies bejahte, bat die Frau mit weinerlicher Stimme um ein Gespräch. Es wurden viele. Ich half der Frau in ihren Eheproblemen, unterstützte sie dabei, nicht den Weg der Trennung zu gehen, sondern wieder die Verbindung zu ihrem Mann zu suchen. Daraus erwuchs eine Freundschaft und diese war eine von sehr vielen, denn es blieb nicht die einzige Ehe, die ich begleitete.

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»