Gottesdienst

Verborgenes Leben, 24. März 2024

Ich wurde geführt, bekam Antworten auf meine Gebete. Sie waren in Begegnungen, in Träume, durch Menschen und Schriften. Ich suchte nach Vorbildern im Glauben und fand diese in der Bibel. Ich tauchte in ihre Geschichten ein, erkannte in ihnen das Ringen und den Kampf. Ich war beeindruckt von den starken Glaubensfiguren des Alten Testaments, bewunderte Noahs Glauben und Vertrauen, Abrahams Gehorsam und Vertrauen, und den gesetzesreuen Moses für seinen Mut.

Mit jedem Erlebnis fühlte ich mich jenen nahe, die sich auf Gott einliessen. Ich konnte ihre Kämpfe verstehen, denn ich fühlte oft ähnlich im Ringen um den Glauben und dem richtigen Weg. Es ermutigte mich auf meinem eigenen Weg weiterzugehen.

Keine Situation, keine Begegnung ist zufällig. Auch nicht, als ich beim Einkaufen mit meinem Fahrrad im Dorf unterwegs war und Zeugin wurde, wie eine Frau mit ihrem Auto, ohne ersichtlichen Grund, von der Straße abkam und auf einem großen Kieshaufen zum Stehen kam.

Ich eilte zum Auto, öffnete die Fahrertür und merkte schnell, dass die Fahrerin stark alkoholisiert und überfordert war. Auf dem Rücksitz saßen zwei verängstigte Kinder. Ein Mädchen im Grundschulalter und ihr etwas jüngerer körperlich behinderte Bruder.

Um diese Mutter im Alltag zu entlasten und auch den Kindern zu helfen, nahm ich die beiden Kinder zweimal die Woche zum Mittagstisch bei uns auf. Arthur kam jeden Tag zum Mittagessen nach Hause und wusste jeweils anhand der Kinderschuhe, die vor der Haustür deponiert waren, um wie viele Kinder der Mittagstisch größer war. Unsere beiden Kinder Patrick und Nicole brachten regelmäßig ihre Freunde mit an den Esstisch, für sie war es normal, diesen mit anderen zu teilen. An die beiden fremden Kinder mussten sie sich erst gewöhnen. Für mich war es zwar zusätzliche Arbeit, doch es war auch eine Befriedigung, die ich dadurch empfand; mein Gefühl eine Familie zu sein, spielte dabei ebenso mit, wie das ehrliche Bemühen Hilfe zu geben.

 

Es war Samstagabend, ich wollte zum Beten in die Kirche. Als ich jedoch dort ankam, fand ich die Kirche verschlossen. Ich stand vor verschlossener Tür, so fragte ich mich. «Warum ist die Kirche geschlossen? Sollte sie nicht immer offen sein?» Ich liebte den Raum der Stille, in den ich gerne eintrat, um Zwiesprache mit Gott zu halten, in dem, was mich beschäftigte. Sollte ich wieder nach Hause gehen?

«Wo findet denn der Gottesdienst statt?», so fragte etwas in mir. «Im Leben. Der wahre Gottesdienst findet im Leben statt», das wusste ich. In meine Gedanken kam jene Frau, deren Kinder bei uns am Mittagstisch saßen, die Mutter mit den Alkoholproblemen. Sie wohnten nur einige Schritte von der Kirche entfernt, ich entschied mich zu ihr zu gehen. Auf dem Weg wurde ich verunsichert: «Was, wenn es ihnen nicht recht ist?» «Was, wenn sie dich nicht sehen will?» «Man müsste doch wenigstens anrufen, sich anmelden, das ist doch keine Art», so sprach die Stimme der Vernunft.

Ich musste mich dagegenstellen, mit aller Kraft dagegen wehren. Und so stand ich schon wenig später in deren Haus. Die Kinder freuten sich und verwiesen mich ins Zimmer ihrer Mutter, die im Bett lag, so wie es in letzter Zeit öfters der Fall war. Ich trat ein, setzte mich auf den Bettrand und wir beiden Mütter sprachen miteinander. Voller Mitgefühl erfasste ich die große Not, in der sich jemand befindet, der von einer Sucht beherrscht wird. Was, wenn der eigene Wille nicht mehr wollen kann? Wenn er übernommen wird von einem Suchtmittel?

Wir beiden Mütter weinten zusammen und sprachen leise. Ich hörte zu, tröstete, als sie von ihrem Weg mit ihrem schwer behinderten Buben erzählte, dem sie ein normales Leben ermöglichen wollte, für den sie das Unmögliche, möglich machen wollte und an dem sie letztlich zerbrochen war. Ich hörte zu, als die Mutter darüber sprach, dass ihr ein Medium gesagt habe, ihr Sohn wäre in einem anderen Leben ein Folterknecht gewesen und deshalb mit dieser schweren Behinderung bestraft worden. Wie grausam, dachte ich, wie grausam einer Mutter dieses so zu sagen, selbst wenn es die Wahrheit wäre, musste es doch die Barmherzigkeit verbieten, diese zu offenbaren.

Zum Abschluss dieser Begegnung beteten wir zusammen das Vater Unser. Wie zwei Schwestern, zusammengefunden durch das Leben, zusammengeführt im Hilfe Suchenden und im Hilfe Gebenden.

Als ich später meinem Mann davon erzählte, wurde mir erst bewusst, was ich erlebt hatte, eine Begegnung, die ich später als „Sternstunde“ bezeichnete.

Diese Frau und Mutter ist wenige Wochen nach dieser Begegnung überraschend und völlig unerwartet gestorben. Sie hinterließ einen 12-jährigen, behinderten Sohn, der nicht gehen konnte und seine jüngere Schwester. Ich war überaus dankbar, dass ich diesmal meiner Intuition und der inneren Führung gefolgt war. Ich half, die Kinder zum Vater zurückzuführen und vermittelte ihm als vorübergehende Hilfe, eine angehende Kindergärtnerin, die einen Praktikumsplatz brauchte. Diese junge Frau war zuvor ebenfalls in meiner Begleitung und suchte Hilfe in unzähligen Gesprächen. Sie nannte mich Seelenmutter.

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»