Familienbande

Verborgenes Leben, 4. März 2025

Als ich zum ersten Mal nach zwölf Jahren wieder einmal 14 Tage am Stück Urlaub machte, hoffte ich, mich zu erholen, Kraft zu tanken, um wieder in meine Leistungsstärke zu finden. Doch alles war mir zu viel, ich wollte nur ausruhen, nichts unternehmen, einzig innehalten und wieder zu Kräften kommen. Sogar der obligate Ausflug auf den Vierwaldstättersee war an der Grenze meiner Leistungsfähigkeit.  Arthur war sehr enttäuscht, er hatte gehofft, mit mir einige Ferientage zu verbringen, etwas Schönes zu unternehmen, die gemeinsame Zeit zu genießen. Mir war es schon zu viel eine kleine Runde spazieren zu gehen. Er wollte mich animieren, weil er dachte, etwas Bewegung würde mir guttun, doch ich winkte ab, ich fühlte mich nicht dazu in der Lage.

In dieser Situation erreichte mich eine Frage, die mich sehr überraschte. Das Schweizer Ehepaar aus meiner Wohngemeinschaft hatte einen Sohn, der im Umfeld der Prophetin lebte. Diesem, ihrem 44-jährigen Sohn, gehe es nicht gut, so dass der Psychiater, ein Glaubensbruder, sie zu einem ernsten Gespräch gebeten hatte. Besorgt unterbreitete er ihnen, ihr Sohn bräuchte nun seine Eltern und einen Ort, um wieder zu sich zu finden, er brauche unbedingt Hilfe und in dieser Situation vor allem seine Eltern, so wurde ihnen glaubhaft versichert. Deshalb wollten sie ihm gerne helfen und ihn in unserer WG aufnehmen. Doch alle Bewohner der Wohngemeinschaft sollten damit einverstanden sein, deshalb wurde ich um meine Einwilligung gebeten. Für mich war es selbstverständlich und keine Frage, die Tür aufzumachen und diesem Sohn zu helfen. Sehr befremdend fand ich jedoch den Umstand, dass diese Situation nicht zu den gängigen Regeln der Gemeinschaft passte. Niemals zuvor hatte ich von Ähnlichem gehört, niemals hatte man Erwachsene zu ihren Eltern zurückgeführt, wurden doch zu enge Familienbande nicht gerne gesehen und misstrauisch hinterfragt, «Familienprogramme» waren nicht erwünscht. So blieb ein eigenartiges Gefühl in mir zurück, doch ich öffnete mein Herz und nahm den Sohn, den ich aus der Schweiz kannte, herzlich auf.   

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»