BEGEGNUNG IM FLUR

Verborgenes Leben, 18. Dezember 2024

In der Zeit, die auf die speziellen Träume folgte, fiel mir auf, dass ich jeden Morgen in ungewöhnlichen Stellungen erwachte. Dies wiederholte sich jeweils so lange, bis ich die Stellung wahrgenommen und ganz in mein Bewusstsein aufgenommen hatte. Zuerst erwachte ich regelmäßig mit einer am Kinn aufgestützten Hand, so, als würde ich über etwas nachdenken. In den darauffolgenden Wochen lag die Hand auf meiner Stirn und halb auf meinen Augen, so, als würde ich etwas nicht sehen wollen. Wieder einige Wochen später und zu guter Letzt, lag meine Hand auf meinem Mund, so, wie man es macht, wenn man erschrickt oder mit Entsetzen etwas Schlimmes sieht.

Dieses zog sich über Monate hin, ohne dass ich eine Erklärung dafür finden konnte. Nur wenigen erzählte ich davon, doch es beschäftigte mich: Was hörte, was sah ich, was verstand ich in der Nacht, was zum Entsetzen führte?

Ich erzählte einem Schweizer Glaubensbruder davon, in der Hoffnung, er kenne das vielleicht auch und könne verstehen, was das bedeuten könnte. Er schüttelte jedoch nur den Kopf, er hatte keine Erklärung.

Ich stellte zuerst mich in Frage, so, wie ich das grundsätzlich immer tat. Die Bilder begannen sich in mir gegen mich zu drehen. Ich dachte, ich wäre falsch, in meinem Unterbewusstsein wären noch schlimme Dinge gespeichert, die mir in der Nacht gezeigt würden. Dieses nahm ich für mich an und bat Gott um Hilfe: Welche Situation wollte ich nicht sehen, nicht hören, nicht erkennen? 

Zur selben Zeit wurde ein Glaubensbruder ins Pflegeheim aufgenommen, der lange eng an der Seite der Prophetin, in ihrem unmittelbaren Umfeld lebte und zur obersten Gilde gehört hatte. Dieser wurde nun auch des Öfteren von mir versorgt und gepflegt. Dabei entstanden tiefgründige Gespräche über den Glauben. Er forderte mich immer wieder, fragte nach meiner Meinung und wollte mehr von mir wissen. Ohne es zu merken, baute sich in mir dadurch eine Art Sicherheit auf. Es wurden Begegnungen, in denen ich ernst genommen wurde. Meine Ansichten fanden Zuspruch und oft vertrat ich eine andere Sicht der Dinge, über die dieser Glaubensbruder angeregt nachzudenken schien.

Dieser Bruder wurde hin und wieder von der Prophetin besucht. Dabei kam es zu einer eigenartigen Begegnung im Flur. Ich begleitete gerade eine Seniorin an ihrem Rollator in den Gemeinschaftsraum, als mir der Besuch entgegenkam. Ich machte Platz, um sie vorbeizulassen, grüßte und wartete. Als die Prophetin mit ihren Begleitern an mir vorbeischritt, machte sie eine Kopfbewegung, die mich lange beschäftigte. Sie warf ihren Kopf seitlich zurück, als wollte sie ihre Haare aus dem Gesicht werfen, doch ihre Haare waren zusammengebunden, lagen geordnet am Kopf an. Diese Geste hatte für mich etwas Befremdendes, ich spürte, es hatte etwas mit mir zu tun. Es bedrückte mich und ich war überzeugt davon, sie habe in mir etwas gesehen, etwas Schlimmes. Ich verknüpfte diese Kopfbewegung auch mit meinen Handstellungen, mit denen ich aufgewacht war und damit ergab sich für mich ein schlüssiges Bild. Diese Begegnung nährte und verstärkte weiter in mir das Gefühl des Ungenügens, des Versagens und des Verrats – und nun auch noch meiner Unwürdigkeit. Dieses Zusammentreffen mit der Prophetin beschäftigte mich noch lange und prägte sich tief in mein Inneres ein.

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»