Verantwortungskreis

Verborgenes Leben, 23. Juni 2024

Wie selbstverständlich wuchs ich in den Kreis der Verantwortlichen und schon kurze Zeit später in die Leitung für den Treffpunkt der Glaubensgemeinschaft in Zürich. Ich engagierte mich gerne und verbrachte viel Zeit bei Aktionen aller Art.

Die Verantwortung, in der wir standen, stellte neue Aufgaben, brachte Herausforderungen von ganz eigener Art mit sich. Im Kreis der Verantwortlichen besprachen wir viele Situationen – auch im Hinblick darauf, dass es keine Zufälle gibt, dass uns alles etwas sagen wollte.

Hin und wieder hatten wir es mit Besuchern zu tun, die mit ihrem Leben offensichtlich nicht zurechtkamen, die verwirrt, von Geistern umsetzt oder gar besetzt waren. Bei einer Nachbesprechung eines Treffens freute sich die Büchergruppe über alle Maßen, denn sie hatte an diesem Tag außergewöhnlich viele Bücher und CDs verkauft. Ich sah das kritisch und fragte nach, wer denn so viel eingekauft habe. Der genannte Name gefiel mir gar nicht. «Das ist nicht normal, das ist doch völlig übertrieben», gab ich zu bedenken, «lebt sie nicht von der Sozialhilfe?» Alle wurden sich bewusst, dass da etwas nicht stimmte.

«Manisch-depressiv» war ein Begriff, der mir aus der Suchtkrankenhilfe präsent war. In der manischen Phase waren diese Menschen sehr umtriebig, überbordend, meinten und wähnten sich unbesiegbar und größenwahnsinnig. Alle Anzeichen schienen zu passen: Die Frau war überzeugt, Gott, der Vater, spreche in ihr und sie glaubte, sie habe schon eine hohe Entwicklungsstufe erreicht. Ich war betroffen über das Bild, das sich mir zeigte, sie schien auf einer gefährlichen Spur zu sein.

Dass sie tatsächlich krank war, konnten wir besser einordnen, als uns bekannt wurde, dass diese Besucherin noch vor kurzem in der Psychiatrie gewesen war. Die Offenbarungen taten ihr nicht gut, sie wurde zunehmend unruhig und es schien uns, als würden aus ihr verschiedene Stimmen sprechen. Doch was ist in so einem Fall zu tun? Was ist Hilfe?

Wir wussten nicht, wie wir damit umgehen sollten. Die Erkenntnis, dass die direkte Ansprache aus der geistigen Welt in ihr offenbar etwas auslöste, was nicht gut für sie war, verunsicherte uns sehr. Sie hörte Stimmen und sie glaubte diesen. Doch diese Stimmen waren nicht frei, sie wollten sie beherrschen und taten das auch. Gemeinsam kamen wir zum Entschluss, ihr zu sagen, dass wir uns Sorgen um sie machten. Jetzt wandten sich ihre Stimmen gegen uns, griffen uns verbal an, doch wir konnten ihr nicht helfen. Sie war übernommen, ihr eigener Wille, ihr Wesen war nicht mehr zu erreichen. Sie gehörte in kompetente ärztliche Hände. Schließlich baten wir sie, unsere Veranstaltungen nicht mehr zu besuchen. Sie verließ uns in Empörung, in einer Wut und mit verbalen Attacken.

Ich wollte dieses besondere Ereignis, den unberechenbaren Verlauf in der Tiefe verstehen und fragte mich, wie wohl Jesus reagiert hätte.

Ich wusste, Jesus hätte sie in den Arm genommen, so lange, bis all die bösen Geister sie verlassen hätten, doch wir waren nicht Jesus. Wir übten uns erst ein in seine Liebe. Ich dachte über die Stimmen nach: «Wer waren sie, was wollten sie? Woher kamen sie?» Ich erinnerte mich an meinen Onkel. Er lebte in der Innerschweiz auf dem Hof im Tal und sein Bruder lebte oben auf der Alp. Beide geübte Brüder in der Gottesfurcht und in einem ehrenhaften Leben. Der Onkel im Tal erzählte, er sei im Keller gewesen, doch als er diesen verlassen wollte, habe ihn eine Kraft zurückgezogen. Dieser Vorfall wiederholte sich dreimal und hätte ihn das Fürchten gelehrt. Als er sich in seinem Schreck setzte und durchatmete, Gott um Beistand bat, musste er intensiv an seinen Bruder auf der Alp denken. Nach einer Weile versuchte er, erneut den Keller zu verlassen, was nun auch ging. Als er oben in der Wohnung war, klingelte das Telefon; ihm wurde mitgeteilt, dass gerade sein Bruder verstorben sei. Mein Onkel war überzeugt, dass sein Bruder sich von ihm verabschieden wollte.

Mir kam auch eine Bekannte in den Sinn, in deren Küche es spukte; sie hörte Stimmen und die Küchenschränkchen, ja selbst die Schubladen wurden geöffnet. Auch die Katze habe sich verzogen. Es spukte und geisterte definitiv. Sie lernte, nicht mehr hinzuschauen: Wenn sie Stimmen hörte, hat sie das Radio an- und die Schublade einfach wieder zugemacht. Es brauchte eine Zeit, bis der Spuk ganz weg war.

Alte Leute sprachen oft von «armen Seelen». Geisterten diese noch herum?

Je mehr ich darüber nachdachte, umso weniger gruselig war es. «Geisterwelt», so hatte ich es für mich genannt, aber noch nicht verstanden, was es heißt und bedeutete.

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»