Marie

Verborgenes Leben, 10. Juli 2024

Rückblickend stellte ich fest, wie viele schwierige Lebenssituationen ich in meinem Familien- und Bekanntenkreis bewältigt hatte. Ich hatte mich immer dort eingebracht, wohin ich gerufen wurde. Ähnlich wie die fleißige Marie im Märchen Frau Holle. Marie, die auf den richtigen Zeitpunkt hörte und dann spontan handelte, wenn das Brot aus dem Ofen genommen werden musste. Ich hatte mich jeweils durch das Tun in eine Aufgabe eingelebt.

Bevor ich Kinder hatte, arbeite ich in einem Vertriebszentrum einer großen Schweizer Verkaufskette, arbeitete mich dort in einige Bereiche ein und dabei wurde mir immer größere Verantwortung in die Hände gelegt. Nach meiner Hochzeit arbeitete ich wieder im Callcenter, wir belieferten Filialen der Firma, die es in der ganzen Schweiz gab. Ich nahm Bestellungen auf und Reklamationen an. Ich erinnere mich daran, dass ich mit dem Telefax lernte, der noch in einem Lochdruck System die Worte aufnahm und die dann eingelegt und versandt werden konnten. Dieses war ein neues Kommunikationsmittel, mit dem Daten transportiert wurden. Ich hatte Spaß daran und arbeitete dort bis einen Monat vor der Geburt unseres Sohnes.

Später an den Krankenbetten war ich oft damit konfrontiert, dass ich nicht wusste, wie ich pflegerisch richtig helfen konnte. Ich hatte mein Ungenügen angenommen und mich den Herausforderungen gestellt. Wie kann man geschwächten Menschen helfen? Wie gibt man Getränke, wie Essen ein? Wie lagert und bettet man Menschen um, wie setzt man sie auf? Diese Fähigkeiten wünschte ich mir oft, wenn ich am Krankenbett, im Hilfsdienst der Menschen stand.

Nun, da meine Kinder schon größer waren, konnte ich mir gut vorstellen, ein neues Kapitel anzugehen, eine Ausbildung nachzuholen. Ohne Zögern wusste ich, wohin es mich hinzog. Mit 42 Jahren begann ich im Limmatspital eine einjährige Lehre als Pflegeassistentin, war in meiner Klasse unter lauter jungen Mädchen. Ich fühlte mich unter ihnen sehr wohl, spürte den Unterschied zu ihnen, spürte, wie ich all das, was ich lernen durfte, wissensdurstig und dankbar in mich aufnahm. Dabei sah ich auch, wie die jungen Menschen lernten: Sie lernten den Schulstoff auswendig, vergaßen ihn schnell wieder, waren nicht mit dem Herzen bei der Sache. Ich sah den Unterschied, sah die andere Art, in der Generationen sich voneinander unterscheiden. Ich freute mich, dass ich meine reiche Erfahrung nun auch in der praktischen Hilfe und mit fachlicher Kompetenz vervollständigen konnte.

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»