Maria und Josef

Verborgenes Leben, 10. Januar 2025

Nun lebte ich seit vier Jahren in der neuen Wohngemeinschaft, fühlte mich angenommen, das Schweizer Ehepaar begegnete mir von Anfang an herzlich. Ich fühlte mich zusehends wohler in meiner persönlichen Situation, hatte ein schönes Zimmer, mit eigenem Bad und sogar einem kleinen Balkon. So schön hatte ich noch nie gewohnt, ich war sehr dankbar.

Das Ehepaar erkannte meine Stärke, dass ich eine ernste Glaubenshaltung lebte. «So wie du, geht niemand den inneren Weg», versicherte mir die Ehefrau immer wieder. Wenn ich abwinkte, meinte sie bestimmt: «Ich kenne keinen Einzigen!» Auch das Schweizer Ehepaar merkte, dass einiges nicht im christlichen Sinne, sondern widersprüchlich, lieblos gelebt wurde, sie nahmen sich als Schutz einfach die nötigen Freiräume. «Es sind halt auch nur Menschen», so erklärte man dieses Verhalten nachsichtig. Einzig unangetastet blieb die Prophetin, welche göttliche Weisheiten und kosmische Lehren offenbarte und lehrte.

Neben dem Ehepaar und mir lebte dort eine weitere Mitbewohnerin, die ebenfalls Schweizerin war. In diesem Haus waren wir eine Wohngemeinschaft mit einer offenen Tür. Besuch von meiner Familie, von Berta oder meinem Mann Arthur war jederzeit willkommen und erwünscht. Das vertraute Umfeld, die Kommunikation in der eigenen Muttersprache halfen besser zu verstehen, dass es tatsächlich einen Unterschied in der Kommunikation gab. Ich erkannte Unterschiede zwischen den Kulturen, die sich auch in der Verständigung, in der Sprache, zeigten und für mich immer deutlicher erkennbar waren. Ich sah viele Schweizer Glaubensbrüder in verantwortungsvollen Aufgaben, sah ihre Qualitäten, in denen sie auch durch ihre Treue und ihr Durchhaltevermögen wie Langstreckenläufer sehr belastungsstark mittragen und mitwirkten konnten. Ich sah auch die Deutschen Brüder, die etwas anpackten, vorwärtstrieben und risikobereit Schritte einleiteten. Dabei erkannte ich auch Missverständnisse, aus denen falsche Schlüsse gezogen wurden. In der Regel galten Schweizer in den Augen ihrer Deutschen Geschwister eher als kompliziert, langsam und umständlich. So mag es scheinen. Doch sie sind bedacht, eher genau, gründlich und bescheiden. Im Schachspiel wären die Schweizer wohl eher die Bauern, während die andere Seite als König, Springer und Turm mit besseren Möglichkeiten auftrumpfen könnten.

Als wieder die Weihnachtszeit vor der Tür stand und ich wiederum mit der Betreuung der Senioren betraut war, nahm ich dies zum Anlass, mit ihnen über Bräuche zu sprechen. Welchen Sinn haben Geschenke und was bedeuten Geschenke? Wie ist es, wenn man beschenkt wird? Bis hin zu: Warum ist das Geschenk, das Gott der Menschheit gemacht hat, in der ganzen Welt bekannt, ohne wirklich erkannt zu werden?

Wieder setzte ich mich mit der biblischen Weihnachtsgeschichte auseinander. Ich schrieb sie noch einmal, diesmal aus der Sicht von Maria. Dabei bekam ich eine tiefe Einsicht in die Gefühle dieser jungen Frau von damals. Ich erfasste, dass es eben das Besondere war, dass Maria und Josef nicht in einer gewöhnlichen Zeugung, Jesus zu seinem Erdengang verhalfen. Ich sah etwas, was ich nicht verstehen konnte, doch ich wusste mit Sicherheit, dass die Zeugungsgeschichte, die auch von der Prophetin gelehrt wurde, so nicht stimmte, denn der Schmerz der biblischen Maria war mit einer großen Schande verbunden, in der ihr niemand glaubte, in der sie viel Schmach erlebt und getragen hatte.

In dieser meiner Weihnachts-Geschichte wurde der Kampf um den Glauben der beiden Glaubensfiguren beschrieben. Was es bedeutete zu glauben, dass ein Retter geboren wurde, jedoch keinen Platz unter den Menschen fand, nicht an- und aufgenommen wurde. Maria und Josef hatten es sich anders vorgestellt, ganz anders. Für Menschen sind Gottes Wege oft nicht sichtbar, Sein Wirken hintergründiger und nachhaltiger, jedoch meist nicht nachvollziehbar. Die Verfolgung des Kindes, das doch keinem gefährlich sein konnte, erschütterte Maria und Josef ebenso, wie sie der Kindermord, von dem berichtet wurde, entsetzte. Ich sah beim Aufschreiben in die Seele von Maria, sah, wie viel Sorge, wie viel Kummer und Schmerz die Mutter von Jesus in sich trug, wie sie von der Unwissenden zur geistig Wissenden wurde, wie Ahnungen in ihr hochstiegen, die ihr große Angst, unendliches Leid und tiefe Not verursachten. Ich erkannte die biblische Maria und auch Josef ganzheitlich. Es blieb kein kitschig süßliches Bild von dieser Frau, diesem Mann und diesem Paar, von einer idyllischen Nacht. Es blieb die unbarmherzige Realität, in der sie in der Gesellschaft und in ihrer Bestimmung nicht an- und aufgenommen wurden. Es blieb ein einsames Paar, auf ihrem einsamen Weg, die nicht wussten, wohin der Weg, die Bestimmung sie führen würde. Im Eintauchen in die Geschichte dieser Familie und dieses Paares sah ich immer mehr Parallelen zur heutigen Zeit, zum Glaubensweg, auf dem die Menschen Glaubenstreue und Glaubensstärke üben und entwickeln können, sollen und dürfen.   

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»