Ich schloss Frieden mit den schwierigen Jahren, die hinter mir lagen, mit meinem Weg in der Glaubensgemeinschaft, machte keine Vorwürfe und trug niemandem etwas nach. Ich erkannte, dass ich in jedem Abschnitt, in den vielen belastenden Situationen, sehr viel gelernt hatte. Ich hatte meine Lernschritte angenommen, hatte verstanden, was Situationen mir sagen wollten, und hatte meinen Anteil daran bearbeitet und bereinigt. Ich öffnete nun noch bewusster und wachsam meine Seelenfühler, lernte vielmehr die innere Sichtweise zu verstehen. Ich bearbeitete Grundsätzliches, auch längst vergangene Situationen, sah vieles in einer neuen Sicht und aus dieser beurteilte ich mein eigenes Verhalten kritisch.
Eine Situation, in der ich mich beeinflussen ließ, bei einer wichtigen Entscheidung in meiner Vergangenheit, kam mir wieder in den Sinn: Als es darum ging, dass wir kein weiteres Kind mehr bekommen wollten, war ich unsicher. Mein Kopf, meine Vernunft und mein Verstand stimmten dem zu, mein Gefühl jedoch zögerte. Ich fühlte mich dabei merkwürdigerweise alleingelassen und unverstanden, ohne genau sagen zu können, warum – für meine Gefühle, fehlten mir die Argumente. Arthur, meinem Mann, konnte ich das damals nicht erklären. Auch nicht unseren Freunden, die Arthurs Sicht teilten und ihn verstanden. Zwei Kinder waren genug. Arthur wollte ihnen eine gute Startmöglichkeit für ihr Leben bieten können.
Unmittelbar vor der Geburt unserer Tochter Nicole wurde ich vom Arzt darüber unterrichtet, dass das Kind behindert sein könnte, und er fragte mich, ob ich auch in diesem Fall die geplante Unterbindung wünsche. Ich entschied mich dazu und gab mein Ja noch einmal.
Sieben Jahre danach hatte ich einen Traum. In diesem Traum bekam ich noch ein Kind. Es war ein Junge mit dem Namen Dominik. Ich erlebte eine unkomplizierte Geburt, sehr real, sehr nah. Es war so eindrücklich, dass ich damals diesen Traum aufschrieb. Es war, als hätte ich in eine Möglichkeit schauen dürfen, in einen übergeordneten Plan. Für mich gab es keinen Zweifel: Das wäre unser drittes Kind gewesen, ich hatte dem lieben Gott ins Handwerk gepfuscht, ich hatte kurzsichtig eigene Wege und Ziele verfolgt.
Als ich später darüber nachdachte, wie es dazu gekommen war, innerlich um Hilfe bat, fiel mir ein großes Plakat mit dem Werbespruch für Bonbons auf: «Sind sie zu stark, bist du zu schwach.» Ich verstand sofort und gewann eine für mich wichtige Erkenntnis. Ich konnte Arthur und unsere Freunde verstehen, ihre Argumente waren stark gewesen und meine eigenen waren schwach. Ich sah meinen Teil, versöhnte mich mit dieser meiner Fehlentscheidung und entschuldigte mich bei der Seele, die in unseren Familienverbund kommen wollte und der ich meine Türe verschlossen hatte.
Ich war dankbar für die Einsicht, die mir gewährt wurde und erkannte den freien Willen, in dem ich meine Weichen gestellt und meinen eigenen Weg gewählt hatte.
Von da an hatte ich mir das Ziel vorgenommen, Stärke zu entwickeln, meinem Gefühl mehr zu vertrauen, auch dann, wenn ich es noch nicht verstehen konnte. Ich stellte meinen inneren Kompass immer feiner ein, bat um Hilfe und Führung, begann den Tag im Gebet und beendete ihn auch so.