Begegnungsort

Verborgenes Leben, 12. August 2024

Die Glaubensgemeinschaft, in der ich ehrenamtlich aktiv tätig war, wuchs. Es gab verschiedene Zusammenkünfte und Veranstaltungen. Die Treffen wurden von Deutschland aus zentral organisiert und via Telefonschaltung unter anderem in die Schweiz übertragen. Zudem wurden Broschüren und Bücher mit den Glaubensinhalten herausgebracht. Schon nach wenigen Jahren entstand in Deutschland ein Verlag, der diese Bücher und Tonträger vertrieb. Bald darauf kam die Anregung, in der Schweiz doch auch die Möglichkeit für einen Versand zu schaffen. Dies sollte in Zürich realisiert werden und der zentrale Standort in Zürich sollte auch die wachsenden Schweizer «Begegnungsorte» betreuen.

Für diese Aufgabe wurde nun eine geeignete Person gesucht. Wer eignete sich für diese Aufgabe? Wer war im Glauben ein Vorbild? Wer kannte sich mit vielen unterschiedlichen Lebensfragen aus und konnte Sorgen von Mitmenschen verstehen und darauf eingehen? Als die Verantwortungsträger in Deutschland mich anfragten, ob ich bereit wäre, diese Stelle zu übernehmen, befand ich mich gerade am Ende meiner Ausbildung zur Pflegeassistentin, hatte Erfüllung gefunden in meiner Arbeit und hatte schon eine Folgeanstellung im Spital, um dort nach der Ausbildung weiterzuarbeiten. Die Pflege von Kranken erfreute mich und vor allem wollte ich einmal in meinem Leben unabhängig sein, selbst Geld verdienen und es in den gemeinsamen Haushaltstopf der Familie einbringen. Was sollte ich tun? War die Leitung des Schweizer Büros der Glaubensgemeinschaft meine Aufgabe? War ich dafür geeignet? Ich legte es Jesus, dem Christus, hin und wollte es zudem mit meiner Familie besprechen. Nach einigem innerem Abwägen nahm ich die Aufgabe als «Verantwortliche» des Standorts Zürich an und gab damit gleichzeitig meinen persönlichen Wunsch auf, im Spital weiterzuarbeiten, was mehr in meinem Sinn gewesen wäre und ich mir auch gewünscht hätte. Doch ging es mir nicht darum, meine eigenen Wünsche zu erfüllen, ich wollte dem Herrn dienen und sein Werkzeug sein. Wenn ich als dieses im «Büro Schweiz» eingesetzt werden konnte, war ich dazu bereit und stellte meinen Wunsch zurück.

Das zentrale Schweizer Büro sollte von Grund auf neu strukturiert werden mit Buchhaltung und Rechnungswesen, die Aktivitäten wollten geplant sein und die Kommunikation der einzelnen Regionen innerhalb der Schweiz ebenso. Zudem stellte die Zentrale Deutschland die Anforderung, dass ihre Anliegen in der Schweiz ihren Wünschen entsprechend umgesetzt und koordiniert werden mussten. Ich verfügte weder über Erfahrungen, wie man ein Büro leiten sollte, noch kannte ich mich aus am Computer. Mit Maus und Tastatur begann ich auszuprobieren und sagte mir: «Also, ich mache es mal so und schaue, was passiert.» Es war eine Mammutaufgabe, die ich mit meiner ganz eigenen Überzeugung löste: «Ich weiß nicht, wie es gehen soll, doch: Jesus Christus, ist die Nummer 1 in meinem Leben, ich bin eine Null – und zusammen sind wir „s´Zehni“!» Zusammen waren wir eine glatte 10 – also unschlagbar!

Ich machte mich an die Arbeit, lernte am Computer, entwickelte Konzepte. Ich erarbeitete mir die Phasen der Planung, der Vorbereitung, der Umsetzung, aber auch des Wartens, des Wachsen-Lassens. Ich holte mir Verstärkung von Senioren, so waren jeden Tag andere Mitarbeiter im Büro. Nicht nur die Mitarbeiter im Büro nahmen zu, auch die Orte bekamen Zuwachs und die Veranstaltungen und Vorträge, die in der ganzen Schweiz organisiert wurden, waren immer besser besucht. Ich entwickelte ein eigenes Konzept zur Planung von Projekten: In der ersten Woche wurden die Vorbereitungen getroffen, Ideen erarbeitet und entschieden, die darauffolgende Woche wurde umgesetzt, so entstanden konkrete Projekte. Danach kam die Phase der Nachbereitung, des Wartens, in der Ordnung gemacht wurde. Projekte wurden nach diesem Schema abgeschlossen und in der Folge kamen Rückmeldungen und Bestellungen, die durch Werbung und Aktivierungen möglich wurden. Dabei ging es vorwiegend um den Vertrieb der Bücher, der Kassetten und später der CDs.  

Ich versuchte, anstehende Projekte mit Herz so zu füllen, dass sich viele davon begeistern ließen, bereitwillig mithalfen und das Vorhaben auch finanziell unterstützten.

Als die angemieteten Räume zu klein wurden, stellten wir uns der Herausforderung, neue Räume zu suchen, ein ganzes Stockwerk zu mieten und es umzubauen für die Bedürfnisse, die sich mehr und mehr abzeichneten. Ohne finanziellen Rückhalt oder Sicherheit wurden nun zwei große Schulungsräume erstellt und eingerichtet, zwei Lager, zwei Büros plus eine Küche.

Ich sagte oft: «Andere haben Ferienwohnungen, wir schaffen einen Begegnungsort der besonderen Art.» Noch während der Ausbildung, in der ich Vollzeit im Krankenhaus arbeitete, begannen die Umbauarbeiten für das neue Zentrum in Zürich. Mit großem Vertrauen und mit noch größerem Mut stellte ich mich der Herausforderung. Die Hausverwaltung ließ sich erstaunlicherweise darauf ein, aus den vielen kleinen Büros, zwei große Räume zu gestalten. Der Umbau jedoch mit all den zu bedenkenden Sicherheitsmaßnahmen und die Finanzierung lagen allein in unserer Hand.

Als nach der Fertigstellung der neuen Räume eine Delegation aus Deutschland kam, um die neuen Räumlichkeiten zu besichtigen, fiel ihre Reaktion auf unsere schön gestalteten Räume verhalten aus. Für uns unverständlich, stellten sie Fragen zu unseren Vorhänge und zu den gewählten Farben.

Mir erklärte sich diese Reaktion erst, als ich zum ersten Mal den großen Versammlungsort in der Zentrale in Deutschland betreten durfte. Die gesamte Raumgestaltung war nahezu identisch, bis hin zum Farbverlauf der Vorhänge in sanft abgestuften Blautönen. Im Nachhinein erfuhr ich, dass man von Anfang an davon ausgegangen war, dass wir den deutschen Versammlungsraum kopiert und nachgeahmt hätten. Doch so war es nicht.

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»