Bewährung und Prüfung

Verborgenes Leben, 21. Juli 2024

Ich wünschte mir meine eigene Sicht, meine eigene Wahrheit neu, in der Wahrheit durch Jesus, den ich liebte, durch Christus, den ich gerade erst kennenlernte und durch Gott, den ich als Vater anzunehmen wagte, wieder zu finden. Doch wie konnte ich weitergehen, wenn immer wieder neue Hiobsbotschaften mich erreichten? Es machte mir Angst, Angst, ob ich weiterem Druck, weiterem Schmerz und Leid gewachsen wäre. In der Frage, woher der Ausdruck Hiobsbotschaft kommt, suchte ich Antworten und ging weiter. Wer war Hiob? Ich suchte und fand ihn in meiner Bibel. Er war es, der hart geprüft wurde, in seiner Geschichte ging es nicht um Saat und Ernte, um Ursache und Wirkung, es ging um Treue, um Glaubenskraft und Glaubensstärke in höchster Vollendung! Mit dieser Sichtweise konnte ich, als gläubige Maria, weiterarbeiten, ich sah auch meinen Vater und sein Leben neu. Jetzt verstand ich: Es gab beides, es gab den Ausgleich, der durch Saat und Ernte eintrat, dazu gehörten die Läuterung und Erlösung, und in der Sicht, in der sich Hiob übte, gab es die Bewährung und Prüfung, in der es nicht darum geht, ob es aufgeht, ein Ausgleich stattfindet.

«Lass mich ein Werkzeug der Hoffnung werden!», in diesem Bild fand ich nun Trost und neuen Mut. Und ich fand auch ein weiteres Stück meiner errungenen Wahrheit, in der ich wusste: Das Sterben in meiner Familie hatte mich in eine so große Herausforderung gestellt, dass ich mich intensiver mit allem beschäftigte, Sinn und Orientierung suchte und ich dadurch in Erkenntnis über Erkenntnis geführt werden konnte.

Im tieferen Verständnis für Jesus, der seinem Weg treu geblieben war, treu bis in den Tod, begann ich nun intensiver über die Erlösung nachzudenken. Wie war diese gemeint? Ich sah Jesus am Kreuz, als den Leidenden, als den Sterbenden und als den Besiegten. Ich quälte mich mit der Frage: Warum hat Gott nicht eingegriffen, warum hat er den Schmerz, das Unrecht zugelassen und seinen Sohn, dem Gericht jener übergeben, die als Wölfe im Schafspelz, die Fäden zogen, die sich als Gottesvertreter huldigen ließen und ihr Urteil über den Verheißenen fällten und ihm den Tod wünschten? Warum wurde er, der Unschuldige, der Brutalität der Soldaten ausgesetzt und übergeben? Um welche Erlösung ging es? Was war die Erlösung? Ein Bekenntnis im Beichtstuhl? Eine Absolution in einem Gebet?  Eine Annahme seines Namens? Zeremonien und Glaubensbekenntnis? Erlösung im Opferlamm?

Ich wollte das Leiden, denn Sinn des Leidens besser und mehr verstehen, folgte meiner inneren Spur, nahm selbstverständlich die Herausforderungen an, die an mich gestellt wurden. Wollten die Menschen Erfolg, weiter und höher hinaus, strebte ich etwas anderes an: Ich wollte weiter und tiefer hinein – in die Erkenntnis.

Ich hatte akzeptiert und verstanden, dass es zum Lebensplan meines Bruders gehörte, mit 33 Jahren zu sterben. Ich blickte nun unendlich dankbar in die Situationen, ganz besonders in die jenes Sonntagabends bei seiner Vernissage, wie wir, als die letzten Gäste gegangen waren, inmitten seiner Werke Abschied nahmen von Sepp, meinem jüngsten Bruder, der seinen Erdengang in wenigen Wochen beenden würde. Ich sah dieses letzte Beisammensein, als das, was es war: ein Geschenk, und es blieb eine große Dankbarkeit und Ehrfurcht über die Führung, in der wir Menschen sind. Ich wusste nun auch in meinem Gefühl, dass kein Mensch schuld sein konnte am natürlichen Verlauf des Lebens und Sterbens, dass dieses allein in Gottes Hand liegt.

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»