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Verborgenes Leben
Was hatten denn meine Eltern getan? Hätten sie nicht etwas Besseres verdient? War das der liebe Gott, der jene bestraft, die vorbildlich in ihrem Glauben und in ihrer Aufrichtigkeit darum kämpften, ein gutes Leben zu führen? War das die Antwort Gottes?
Im Sommer 1977 musste Marias Mutter für einen ambulanten Routineeingriff an der Speiseröhre ins Krankenhaus in Luzern. Als ihr Bruder Noldi die Mutter am Abend wieder abholen wollte, lag sie auf der Intensivstation.
Obschon ich als frischgebackene Mutter überglücklich hätte sein sollen, machte sich eine unbeschreibliche Schwere in mir breit. Alle meine Freunde waren im Urlaub, es waren Skiferien, ich hatte kaum Besuch.
Wenig später wurde Maria überraschenderweise und trotz Verhütungsmittel schwanger. Als sie dies ihrem Mann Arthur mitteilte, antwortete dieser: «Ich bin nicht begeistert», musste jedoch beifügen, «Ich habe es gespürt, ja, gewusst.»
Marias Sohn Patrick war ein besonnenes und ruhiges Kind. Er spielte gerne mit den Kindern aus den Häuserblocks, in denen seine Eltern als Hauswart tätig waren. Sie waren eine Clique von über 20 Kindern, in der vieles ausprobiert und in Rollenspielen geübt wurde.
Mein Vater fehlte mir sehr, als ich selbst auf den Glaubensweg kam. Ich hätte ihn gerne gefragt, wie er so wurde, wie er seine Haltung errungen hat; doch er war nicht mehr da. Um das alles zu verarbeiten, engagierte ich mich in der Sterbebegleitung, die in unserem Freundeskreis, aber auch darüber hinaus nötig wurde.
Die junge Mutter, Maria, wurde Präsidentin des Damenturnvereins im Dorf und kam schon bald mit einem interessanten Vorschlag: «Wir sind gesund und fit, da könnten wir doch unsere Fitness spontan für ältere, kranke Mitmenschen einsetzen, die eben nicht mehr so beweglich sind und froh wären, wenn ihnen jemand hilft.»
Nachdem ihr Sohn geboren wurde, wollte Maria für ihren Sohn erreichbar sein und gleichzeitig dazuverdienen. Es bot sich eine Möglichkeit in der Stelle als Hauswart, Hausmeister-Ehepaar. Dabei würden sie verantwortlich sein für vier Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 34 Wohneinheiten, in denen vorwiegend junge Familien lebten.
In einem immer wiederkehrenden Traum, in dem mein Vater zurückkam zu mir und in mein Leben, bekam ich meine Antwort. Die Freude über seine Rückkehr endete schnell, denn ich musste ihn im Traum verbergen und verstecken, er war ja gestorben, niemand durfte ihn sehen.
Das Leid und der Tod meines Vaters, am 28. Oktober 1969, drei Wochen nach meiner Hochzeit, war für mich eine überaus große Herausforderung. Ich war am Beginn meines Lebens und seines endete. Mein Glaube half mir nicht mehr, meine Antworten ebenso wenig. Warum musste mein Vater so schmerzvoll sterben? Womit hatte er das verdient?
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