Schutt und Asche

Verborgenes Leben, 27. November 2024

Als ich bei der Arbeit schließlich mit Aufgaben beauftragt wurde, die ich beim besten Willen nicht erfüllen konnte – ich sollte Möbel in Italien bestellen, obwohl ich gar keine Fremdsprache sprach und der Händler nur italienisch – gab ich auf, es reichte. Ich zog die Notbremse – ja, ich musste sie ziehen – und ich kündigte.

Zu kündigen war jedoch nicht üblich, das tat man nicht, das gehörte sich nicht, denn wer den Verbund verlässt, verlässt auch den Schutz der Gemeinschaft. Diesen Kommentar musste ich mir von meinem Vorgesetzen gefallen lassen. Wieder vermochte ich der Situation nicht die Stirn zu bieten oder standzuhalten, vielmehr stellte ich mich weiter in Frage: Warum vermochte ich nicht zu genügen? Noch nie hatte ich mich so in Frage gestellt und so in Frage gestellt gefühlt. Erbarmungslose Gefühle kamen in mir hoch. Ich fühlte mich mutlos, gedemütigt – wie besiegt. Warum passierte mir dies?

Als ich am anderen Tag zur Arbeit kam, wurde mir mitgeteilt, ich solle den Betrieb unverzüglich verlassen. Ich wurde per sofort freigestellt, als hätte ich etwas verbrochen. Eine weitere Demütigung, eine Bestrafung, oder wie sollte ich dies verstehen?  

In großer Beschämung verließ ich den Betrieb, alles lag in Schutt und Asche. War ich nun tatsächlich zum dritten Mal gescheitert? Es lag nicht an meinem Willen, auch nicht an meiner Einsatzkraft.

Unermüdlich stellte ich mir die Frage: Warum? Ein Kampf tobte in mir. Ich verstand nicht, erlebte in mir intensivste Gefühle und Seelenschmerzen, die sich wie brennendes Feuer im Brustraum anfühlten. Herzrasen und ein unsagbarer Herzensschmerz spürte ich körperlich über Wochen – intensiv und beängstigend.

Was nun? Endlich die Koffer packen und den Heimweg in die Schweiz antreten?
Mir eingestehen, dass mein mutiges Unterfangen kläglich gescheitert war? Ich hatte demzufolge die Sache für Gott nicht weitergebracht. Hatte ich wichtige Hinweise übersehen? Die Fragen in meinem Inneren blieben ungeklärt. Ich war zutiefst erschüttert und bis ins Mark getroffen.

So saß ich mutlos vor dem Gartenhäuschen – traurig, verzweifelt und enttäuscht. Da sah ich, wie zwei große Vögel heranflogen. Sie zogen meine Aufmerksamkeit auf sich und ich erkannte: Es waren zwei Schwäne. Gebannt schaute ich ihnen zu. Sie kreisten dreimal über meinem Kopf und danach flogen sie weiter.

Schwäne waren für mich, seit ich Arthur kannte, zu besonderen Botschaftern geworden. Es war ein Zeichen und diese Situation außergewöhnlich. Ich liebte diese Tiere, doch bis dahin hatte ich sie noch nie fliegen sehen – es war imposant, tief und nah. Nicht einfach, bestimmt nicht einfach für die schweren Schwäne, sich vom Boden zu erheben, dachte ich. Da hörte ich, wie in mir etwas sagte: «Ja, nicht einfach. Mach es ihnen nach, erhebe dich und lerne zu fliegen!»

Ich wusste in diesem Moment nicht, ob ich je wieder aus der Asche, aus dem Trümmerfeld steigen könnte und mir einen Neuanfang zutrauen würde, aber ich wollte es versuchen.

Meine körperliche Schwäche, das Herzrasen und auch das Brennen im Brustbereich, die für mich Seelenschmerzen waren, begleiteten mich weiterhin. Bereitwillig und demütig nahm ich diesen Zustand an und ergründete mein Inneres weiter. Ich teilte diese tiefe Seelen-Erschütterung erst später und nur auf Nachfrage mit meinen Nächsten. Ich ließ mir einige Wochen Zeit für eine Standortbestimmung und Analyse. Nachdem nun zum dritten Mal alles in Scherben vor mir lag, entschied ich mich ganz bewusst, das Ungenügen, das Versagen in mir anzunehmen, es aufzunehmen, mich damit zu versöhnen und auf dem Boden der Tatsachen weiterzumachen.

Doch wer würde mich wieder aufnehmen, mir im Rahmen der Glaubensgemeinschaft noch einmal eine Chance geben? Meine Geschichte hatte längst die Runde gemacht, die Verantwortlichen, die Chefs der Betriebe waren schon im Bilde. Sie hatten sich ihre Meinungen gemacht. Ich war für sie eine Enttäuschung, so sah es nun mal aus, dessen war ich mir bewusst und ich entschied mich, auf meinem Boden der Tatsachen, dort hinzubegeben, wo der Bedarf an Hilfskräften groß war. Als wollte ich eine Lektion mit neuem Bewusstsein nochmals wiederholen, begab ich mich auf mein «Feld eins»: Ich ging wieder in die Altenpflege.

VERBORGENES LEBEN

 

«Schreibe für dich den Weg, der bei dir zur direkten Kommunikation geführt hat auf, denn es hilft dir beim Helfen!»