Ich war überzeugt, ich hatte, was den Tod von Theddy betraf, alles aufgearbeitet. Ich hatte mit meinen Ängsten gerungen, sie bearbeitet, bis sie überwunden waren. Als unser Sohn Patrick anfing, freudig mit seinem Mofa herumzukurven, stiegen diffuse Gefühle der Angst in mir hoch. Sie waren stärker als ich, und ich wusste nicht, wie ich sie überwinden konnte. Natürlich erkannte ich den Zusammenhang mit dem Motorrad-Unglück meines Bruders, sah die unheilvolle Verknüpfung, die ich machte, ohne es zu wollen. Ich begleitete meinen Sohn mit meiner Angst. Es fühlte sich an, als schwächte ich ihn dadurch. «Gedanken sind Kräfte, wie sehr konnten diese beeinflussen?», so fragte ich mich. Patrick hatte zu dieser Zeit einige Unfälle. Einmal landete er dabei sogar im Krankenhaus! Er hatte an diesem Tag die Aufsichtspflicht über seine kleine Schwester, sollte auf sie achtgeben. Trotzdem begab er sich mit dem Mofa und einem Freund weit weg von unserem Zuhause, dabei wurde er von einem Autofahrer übersehen und krachte mit seinem Mofa unsanft ins Auto. Er wurde von der Ambulanz ins Krankenhaus gebracht, sein Arm war gebrochen und sein Gesicht zeigte Prellungen, beängstigende Spuren dieses Zusammenpralls.
Erst auf dem Weg des «Und dänn?» ging ich diesen Weg ganz zu Ende, indem ich die Angst in mir zuließ, mich ihr stellte. Ja, es könnte wieder etwas Schlimmes passieren, ja, es gab keine Sicherheit, keine Garantie, es gab jedoch Gott, der um alle Dinge weiß, ihm galt es zu vertrauen. Ich gab das Leben und das Sterben meines Sohnes Gott zurück, wusste, dass es keine Zufälle gibt und dass ich nichts verhindern konnte. Doch ich erkannte, dass ich etwas tun konnte: Meine Angst überwinden, darum bat ich jetzt jedes Mal, wenn die Angst um meinen Sohn mich wieder übernehmen wollte.
Unser Sohn Patrick war auf eine besondere Art mit meinem Bruder Theddy verbunden. Patrick spielte schon im Sandkasten leidenschaftlich Bäcker, stellte Brot und Kuchen her, den ich dann schon früh morgens einkaufen musste, als wäre es ihm im Blut, als hätte er es mitgebracht in sein Leben. Ich spielte dieses Spiel gerne mit und machte ihm die Freude, kaufte ein, so dass er beschäftigt war und schnell wieder in Produktion gehen musste. Manchmal bestellte ich Sandtorten, die Patrick dann mit Blumen und Blättern garnierte. Sein späterer Berufswunsch überraschte uns nicht: So wie mein verstorbener Bruder Theddy erlernte auch Patrick den Beruf des Bäckers.
Ich bat meinen Bruder Theddy ganz bewusst in meinem Inneren um Vergebung, als ich nun beschämt verstand, dass ich ihn mit meinen Vorwürfen festgehalten und damit seine Seele an das Menschliche in meiner «heilen Welt» gebunden hatte. Als ich diese Bindung gelöst hatte, wurde meiner Familie mitgeteilt, dass in den nächsten Tagen das Grab meines Bruders geräumt und aufgelöst werde.
Es war zur gleichen Zeit, in der Patrick seine Meisterprüfung als Bäcker-Konditor absolvierte. Welch ein Zeichen, welch eine Freude – eine große und tiefe Dankbarkeit erfüllte mich.
Diese Erfahrung und Erkenntnis über die seelischen Zusammenhänge waren für mich eine Bewusstseinserweiterung und stärkten meinen Glauben nachhaltig.