Eine Begleiterin dieser Zeit:
Mein erster Kontakt mit Maria war in einer Turnhalle. Damals leitete ich mit vierzehn Jahren bereits in unserem Dorf die Mädchenriege, als spontan eine junge Frau eintrat und sich herzlich vorstellte: «Ich bin Maria, die neue Präsidentin vom Damenturnverein. Ich habe gedacht, ich komme mal vorbei und schaue, wie es so läuft.» Ich spürte ihr Vertrauen und ebenso eine Art von Sicherheit. Da ich noch jung war und noch nicht groß Leiterkurse besucht hatte, nahm Maria als Präsidentin durch ihren Besuch eine gewisse Verantwortung wahr. Beim herzlichen «Tschüss» fügte sie hinzu: «Melde dich einfach bei mir, falls du Fragen hast.»
Als Suchende im Glauben geriet ich einige Jahre später in Florenz durch eine Vortragsreihe an eine Sekte. Ein schwieriges Lebenskapitel, für mich eine leidvolle Erfahrung, worüber ich mich schämte, weil ich mir auf meinen Verstand etwas einbildete und nie gedacht hätte, in so was hineinzugeraten. Innerlich durcheinander und aufgewühlt, musste ich zu einem Psychiater, der meinen Zustand als «religiösen Wahn» beschrieb. Damit war ich im Glauben gebrochen und höchst verunsichert.
Das Einzige, was mir half, war einfach joggen gehen, Boden unter den Füßen zu spüren, mich an der frischen Luft in der Natur zu bewegen, um den Kopf freizubekommen. Mein Weg führte an einer kleinen Kapelle vorbei. Ich wusste, dass sich dort ab und zu Maria aufhielt und betete. Zuerst wollte ich zielstrebig joggen gehen, aber schon nach wenigen Metern drehte ich um, weil ich mich erschöpft fühlte, nicht körperlich, sondern seelisch. Als ich mich der Kapelle näherte, hörte ich Marias Stimme – sie sang. Behutsam öffnete ich die Tür und setzte mich leise neben sie. Sie sagte nichts und ich konnte nichts sagen, sondern brach einfach in Tränen aus. Mir fehlten die Worte, was hätte ich denn Gott sagen können, wenn in mir so was wie ein «religiöser Wahn» war? Sie nahm mich in ihre Arme, wir weinten zusammen, nach einer Zeit der Stille betete Maria sinngemäß: «Christus, führe uns, führe uns in die Wahrheit, in die Klarheit, denn du bist die Wahrheit und die Klarheit.» Ich empfand Liebe, Licht und eine tiefe Erleichterung. Nun spürte ich in mich hinein, hörte nun weniger auf die Worte, nahm aber die innige Bitte um Wahrheit wahr, diese blieb in meinem Herzen, nicht im Verstand, auf den ich damals nicht wirklich bauen wollte und konnte. Angenommen und verstanden, so fühlte ich mich danach und dieses Gebet in der Kapelle begleitete mich als tiefe Seelenerfahrung.
Eines Tages nahm ich auf dem Weg zur Uni einen Handzettel entgegen, eine Einladung zu einem Vortrag im Kongresshaus. Da wollte ich unbedingt hin, denn es ging um die Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen, «Meditationskurse» auf der Grundlage von christlichen Neuoffenbarungen. «Nicht nochmal», war mein erster Gedanke gewesen und mir war nicht klar, weshalb es mich ausgerechnet an meinem Geburtstag trotzdem zu diesem Vortrag zog.
Darüber wollte und konnte ich nur mit Maria reden, denn sie würde es zuallererst verstehen können. Ich nahm eine kleine Broschüre mit, die von einer Frau erzählte, die zur Prophetin wurde und ebenso, welche Auslöser sie auf diesen Weg geführt hatten.
Maria winkte nicht ab, sie hörte mir zu und prüfte die Broschüre. Sie fand, ich könne ja einfach mal mit diesen Meditationen beginnen und schauen, wie es mir damit ergehe. In der Broschüre wurden die Freiheit und der freie Wille hervorgehoben und darauf richtete Maria ihr Augenmerk.
Ihre Reaktion half mir, mit einem weiteren Anliegen herauszurücken, das mir keine Ruhe ließ: Es bot sich die Gelegenheit, demnächst live eine Offenbarung in Innsbruck mitzuerleben, bei einem Treffen dieser Glaubensgemeinschaft aus der Broschüre dabei zu sein. Ich wollte in keine Abhängigkeit geraten und doch wollte ich prüfen, ob es sein kann, dass Gott durch einen Menschen spricht. Ich war zerrissen, irgendwie unsicher und doch zog es mich dorthin. Maria sah in mir vermutlich beides, das innere Bedürfnis und die Not. Wahrscheinlich entschloss sie sich deshalb, mich dorthin zu begleiten.
Wir fuhren in einer Fahrgemeinschaft mit einem Kleinbus nach Innsbruck. Im Kongresshaus, in dem die Veranstaltung stattfinden sollte, fanden wir eine «spezielle» Stimmung vor. Es war offensichtlich, dass sich hier Menschen versammelt hatten, um einem für sie sehr besonderen Geschehen beizuwohnen. Dem Anlass entsprechend, waren sie elegant gekleidet und trugen vorwiegend weiß oder pastellfarbene Kleidung, die Frauen schienen wallende Gewänder und Röcke zu bevorzugen. Schon diese äußere Aufmachung löste eine gewisse Skepsis aus. Wir fielen durch unseren einfachen Kleidungsstil aus dem Rahmen und wurden mit entsprechenden Blicken bedacht.
Ich versuchte unvoreingenommen zu bleiben, als eine eher kleine, unscheinbare Frau sich vorne hinstellte und mit einer deutlichen, klaren und lauten Stimme zu sprechen begann. Der Inhalt war mir nicht fremd, zum Beispiel «Wer mit dem Schwert kämpft, wird durch das Schwert umkommen.» Ich empfand es als einen großen Aufruf, sich wieder im christlichen Sinne zu versammeln und sich erneut auf christliche Werte zu besinnen.
Maria erzählte mir im Anschluss, dass sie eine starke Bewegung in ihrer Seele empfunden habe, dass sie sich buchstäblich in den Stuhl hineingedrückt gefühlt habe und stillhalten musste. Sie sagte: «Ich weiß nicht, wie es sein kann, aber ich weiß, dass Gott gesprochen hat, ich weiß es.»
Maria fuhr noch am selben Abend zurück, während ich einen Tag länger blieb. Ich war ihr sehr dankbar, dass sie mir zuliebe diesen Weg auf sich genommen hatte.
Wir begannen gemeinsam den sogenannten «Meditationskurs» in Zürich, machten unsere Erfahrungen in der Glaubensgemeinschaft. Dazu gehörte, jeden Morgen eine Textmeditation zu hören. Maria machte dies jedoch nicht so überzeugt, sie hatte ihr morgendliches Ritual, ihre Gebetszeit und Verinnerlichung. Das sagte sie mir erst viel später und erklärte mir, sie habe diese Eingaben nicht in sich aufnehmen können, in ihr war wie eine Art Abstoßung. Trotzdem besuchten wir die vorgegebenen Kursstunden. Maria hörte den Text, jedoch eher prüfend. Sie machte sich darüber keine weiteren Gedanken, es beschäftigte sie auch nicht. Sie nahm hingegen Kassetten mit weiteren direkten Offenbarungen mit, denn es war die Sprache, die sie kannte, es war die «Stimme», die ihr vertraut war.