Die junge Mutter, Maria, wurde Präsidentin des Damenturnvereins im Dorf und kam schon bald mit einem interessanten Vorschlag: «Wir sind gesund und fit, da könnten wir doch unsere Fitness spontan für ältere, kranke Mitmenschen einsetzen, die eben nicht mehr so beweglich sind und froh wären, wenn ihnen jemand hilft.» Sie dachte da konkret an Fensterputzen, Frühlingsputz oder an Unterstützung beim Einkaufen. Es blieb nicht bei der Idee, schnell wurde diese in die Tat umgesetzt. Wer Hilfe benötigte, durfte sich beim Damenturnverein melden. So begaben sich, je nach Anfrage, fleißige Putz-Feen vom Damenturnverein auf Putz-Tour oder es wurden im Herbst auch Vorfenster angebracht, Pflanzen ins Haus geräumt und im Frühling dasselbe, nur andersrum.
Ich putzte und unterstützte dabei eine Familie, in der die Mutter eine schwere Krankheit hatte und nur noch vom Bett auf einen Sessel transferiert werden konnte. Mein Einsatz zog sich über Wochen und ich half der kranken Mutter und ihren zwei Kindern regelmäßig. Ich führte auch Gespräche mit ihnen und ließ mich berühren von ihrem schweren Schicksal. Ich spürte, wann Zeit war zum Reden und wann das Schweigen heilsam war. Ich lernte und half das schwere Los mitzutragen, ohne große Worte, ohne eine Legitimation, ich war einfach da und half, wo Hilfe nötig war. Leise und im Hintergrund, ohne zu stören, ohne Neugier. Ich gab Zuwendung und Schutz, Hoffnung und Zuversicht und den Kindern versuchte ich Halt und Trost zu geben. Ich verstand den Knaben, der seine Hilflosigkeit in Wut verwandelte, sich dadurch unbeliebt machte und eine große Herausforderung für seine Umgebung war. Ich verstand das Mädchen, das sprachlos wurde und sich in sich selbst zurückzog. In dieser Zeit lernte ich stehenzubleiben, auszuhalten, sich der Ohnmacht zu stellen und die Hilflosigkeit zuzulassen, ich war betroffen, ich weiß noch, wie es mich plagte und ich mich fragte: Warum, warum? Warum gibt es diese Unterschiede, der eine hat alles und dem anderen wird alles genommen? Wie kann das sein? Ist das gerecht? Bist du, Gott, gerecht? Ich kann das nicht verstehen, ich kann es einfach nicht verstehen!
Ich ging zu dieser Familie, solange es nötig war. Auf diesem Weg half ich einer Nachbarin dieser Familie, auch stehenzubleiben und sich berühren zu lassen. Und so wurde ich, einige Monate bevor die Mutter starb, von der Nachbarin in meinem Dienst abgelöst.